Lass Pelle reden


Polarkreis 18 werden neuerdings von The Hives gecoacht. Doch ihre Stärke bleiben die Zwischentöne.

Nicholaus Arson sagt nicht viel, und wenn, dann spricht er leise, aber eindringlich. „Der einzige Ratschlag, den ich euch geben kann“, sagt er, „ist: Achtet darauf, dass ihr eure Band zusammenhaltet! Entscheidet bei schwierigen Fragen immer gemeinsam!“ Die leicht eingeschüchterten Mitglieder von Polarkreis 18 nicken stumm. Dann kräht Pelle Almqvist los: „Ich hab‘ vielleicht auch einen Rat. Habt ihr einen Manager? – Feuert ihn!“ Ein Moment Stille, dann bricht alles in Gelächter aus.

So was: Die schwedischen Rock’n’Roller The Hives coachen Polarkreis 18, die junge Kunstpopkapelle aus Ostdeutschland. Die beiden Bands sitzen in einem Hotelzimmer in Erfurt, um sie wuseln Medienmenschen: Fotograf, Kamerateam, Tourmanager, Promoterinnen. Und der ME, der sich die monströse Aufgabe gestellt hat, elf Leute in zwei Sprachen zu interviewen. Und dabei vielleicht auch zu erfahren: Was verbindet ausgerechnet die Hives mit Polarkreis 18? Über den Support durch die Volkswagen Soundfoundation hinaus, die sich diese Art der Nachwuchsförderung (die sie auf verschiedene Weise bereits seit 1997 betreibt) hat einfallen lassen: Richtig erfolgreicher Act fördert achtungserfolgreichen Act. Das „Pate-Pate-Prinzip“. Obwohl dieses Treffen unter Zeitdruck die Anmutung einer Medieninszenierung unmöglich abschütteln kann, scheinen sich die beiden Bands gut zu verstehen. Eine interessante Begegnung, auf jeden Fall.

Zwei Wochen Später treffen wir Polarkeis 18

wieder. Es soll um ihr neues Album gehen. Aber auch die Begegnung mit The Hives bleibt Thema. Polarkreis 18 wussten selbst nicht genau, was da passieren würde, erzählt Sänger Felix Räuber: Die Hives kennenlernen …warum nicht? Aber dabei gleichzeitig gefilmt, fotografiert, interviewt werden? Die Band hatte seit ihrem viel beachteten Debüt (2007) kaum Zeit, darüber nachzudenken, was alles mit ihnen passiert, bekennt Felix. Dass sie Vermarktungsstrategien aber ohnehin ihrem Manager überlassen, hält er für wichtig: „Je weiter wir uns von diesem ganzen Businesskram distanzieren, desto unabhängiger können wir unsere Musik machen. Wir vertrauen unserem Manager.“ Lasst den Pelle reden…

Das neue Polarkreis-Album heißt the colour of snow. Die Geschichte dahinter geht auf ein psychologisches Experiment aus den soern zurück, bei dem man Schulkindern glaubhaft machte, Schnee sei schwarz. „Meistens sucht man erst diese eine erste Idee für den Song, dann beginnt man sich die dazugehörige Geschichte zu überlegen. Einfach zu erzählen, dass man sich mit Person A trifft oder sich verliebt, war nicht unser Ansatz“, sagt Felix. Die Zeiten assoziativer, intuitiver Songtexte sind vorbei.

Der zweite große Unterschied zum Debüt, dessen vierjährige Entstehung unterschiedliche Bandkonstellationen überdauerte: Das Songwriting war abgeschlossen, bevor die Band ins Studio nach Weilheim fuhr, erzählt Schlagzeuger Christian Grochau, der kurze, klare Antworten bevorzugt. Anders als Felix, der immer wieder Einblicke in den konzeptionellen Geist seiner Arbeit gewährt. Und Sachen sagt wie: „Auf der ersten Platte haben wir uns eher über Sounds definiert. Jetzt definieren wir uns über Songs. Unser Ziel war es, Hymnen zu schreiben, dieklarer,populärer, einfacher strukturiert sind. Langsam merken wir auch, wie stark die geworden sind.“

Leider gab es rund ums Album auch Streit. Zum ersten Mal mussten die sechs Dresdener über einen langen Zeitraum zusammenarbeiten. „Gerade Künstlertypen tragen ja ein extremes Anerkennungsbedürfnis in sich“, erläutert Felix. „Gleichzeitig versuchen wir, eine demokratische Band zu sein. Manchmal ist das schwer ins Gleichgewicht zu bekommen.“ Man ahnt, was Nicholaus Arson dazu sagen würde. Felix Räuber macht aber deutlich, dass sich die Konflikte gelohnt haben: Die Band ist überzeugt von der Qualität ihrer Arbeit. „Wir sehen Fehler, aber die haben ihre Berechtigung. So ’ne Platte ist am Ende ein Querschnitt aus einem Prozess, und dass der sich nie abschließen lässt, ist ja klar. Man wird nie fertig. Aber prinzipiell deutet die Platte das an, was Polarkreis iS machen wollen.“ The Hives würden einfach sagen: „This is our best record ever!“ >»www.polarkreis.de »>STUDIOBERICHT ME 8/08 —