Mando Diao: Berlin, Mudd Club


Schweißtropfen fliegen, Knackärsche wiegen: Die Schweden der Stunde machen eine Achterbahn aus Berlin.

Draußen ist es arschkalt, drinnen erhitzen Knackärsche das überwiegend weibliche Publikum. So soll es sein, denn Schweden sind in der Stadt, Mando Diao, eine zu große Band in einem zu kleinen Club. Allerbeste Voraussetzungen also für einen Rock’n’Roll-Abend, wie wir ihn zuletzt… tja, vorhin zu Hause erlebt haben, als wir uns zum Vorglühen noch schnell HURRICANE BAR angehört haben. Da tropft der Rock nicht nur aus jeder Note, sondern auch aus dem verdächtig üppig bebilderten Booklet: Mando Diao galore – liebevoll fotografiert, als wären es The Kinks in London, The Beatles in Hamburg oder The Strokes in Manhattan. Sind sie ja irgendwie auch, nur ohne das lästige „The“. Genau das behaupten die Selbstbewußten auch gerne: „Wir glauben ehrlich, daß unsere Platte besser ist als alles von The Who. Es ist sogar eine rundere Sache als viele Alben der Beatles oder Stones.“

Starke Worte einer Band, die allenfalls ihre Jeans tiefhängt, damit zwischen Bund und T-Shirt das magere Bäuchlein aufleuchten kann. Auch diese Geste: eine gezielte Unverschämtheit. Entsprechend heftig geht es dann nach vorne los, als die niedlichen 22-20’s endlich die Bühne geräumt haben. So heftig, daß die ersten 15, 30 Minuten ein einziger Rausch aus Riffs und Licks und Trommelwirbeln zu sein scheinen, aus hüpfenden Pferdeschwänzen und gereckten Fäusten.

Ein Rausch, von dem wir uns benommen erstmal ein paar Meter distanzieren müssen, um aus sicherer Entfernung plötzlich doch ganz nüchtern zu erkennen, was die Magie dieser Gruppe ausmacht: Es sind ihre Gleichzeitigkeiten von Energie und Euphorie, Nüchternheit und Überschwang, Übermut und Überschätzung, vor allem aber: von Geschichtsbewußtsein und Beschwichtsvergessenheit. Sie haben den Schwung der Sixties in den Hüften und das Motto unserer Tage im Kopf: „Anything goes“. Was nämlich neuerdings geht und wofür schon ganz andere Bands gesteinigt wurden, ist dieser Gestus rotzlöffeliger Respektlosigkeit von jungen Musikern gegenüber dem Erbe, von dem sie leben.

Aber Spaß (oder Sinn) macht es natürlich keinen, in Grübeleien zu versinken, während vorne die Schweißtropfen fliegen und nasse Haare aus den Gesichtern geschüttelt werden, wenn sich die Band der Stunde austobt. So schmal das Oeuvre sein mag: Durchhänger finden sich weder auf BRING EM IN noch auf HURRICANE BAR noch an diesem Abend. Im Gegenteil werden diese eingängigen Songs, die man ja alle irgendwie zu kennen glaubt, live umso ungestümer und nachdrücklicher dargeboten. Klar wird, daß diese Schweden gelehrige Schüler gewesen und nun drauf und dran sind, die ausgepowerte Pop-Supermacht England tatsächlich zu beerben. Weil sie sich nicht im Dickicht der Referenzen, Bezüge oder Anspielungen verheddern, sondern die alte Geschichten so erzählen, als erzählten sie sie zum ersten Mal. Egal, wie lange das gutgeht – gehen tut’s nur tobend, wütend, und weil da diese wunden, aufgerauten Stellen sind in Gustaf Norens Stimme. Schürfwunden, die ein Leben hinterlassen hat, daß er noch gar nicht gelebt haben kann.

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