Oel Wechsel


Wiegeschmiert: Mitgefühligen Liebes- liedern üben sich die einstigen Agit-Kämpfer Midnight Oil nun in Politikverdrossenheit

Politik allein macht nicht glucklich: Als die Band 1990 ihr letztes Studioalbum, BLUE SKY MINING, aufnahm, widmete Sänger und Vordenker Peter Garrett noch den grüßten Teil seiner Zeit der Australian Conservation Foundation, einer ökologischen Bürgerbewegung, zuletzt war er deren Vorsiztender. Vor drei drei Monaten erklärte er seinen Rücktritt: „Die letzten vier oder fiinf Jahre waren durch dieses Durcheinander von Band und Politik sehr, sehr aufreibend. Irgendwann mußt du dich einfach ausklinken und andere Prioritäten setzen“, entschuldigt sich Garrett bei den alten Mitstreitern. „Ich habe mich im Laufe der Zeit zu sehr von meiner politischen Arbeit vereinnahmen lassen. Alle wußten das — die Band, meine Frau, meine Freunde, nur ich selbst nicht. Ich dachte, ich könnte alles unter einen Hut bringen, aber es wurde einfach zu viel. Jetzt, da ich vor allem fiir die Band arbeite, geht’s mir glänzend. Es kommt mir vor wie ein neuer Anfang… soweit das überhaupt möglich ist, wenn man schon seit einer halben Ewigkeit zusammen ist. (Seit 18 Jahren, um genau zu sein.) Ich meine, man kann nach so einer langen Zeit nicht so tun, als ob hinter jeder Ecke eine Riesenüberraschung wartet.“

Die Folgen dieses Sinneswandels springen sofort ins Auge und Ohr — das aktuelle Album EARTH AND SUN AND MOON enthält den „privatesten“ Song, den Midnight Oil bisher aufgenommen haben: „In The Valley“, in dem Garrett den Tod seiner Eltern verarbeitet. Sein Vater, ein Geschäftsmann, starb an einem Asthma-Anfall, als Garrett Jura an der Universität in Sydney studierte. Seine Mutter kam einige Jahre später auftragische Weise beim Brand ihres Hauses ums Leben. Garrett und seine beiden jüngeren Brüder konnien sich damals in letzter Sekunde retten, Peter stand plötzlich als“Waise Mitte Zwanzig“ da.

Warum es bei Midnight Oil seit neuestem aber nur noch um um Liebe, Tod und Beziehungen geht, kann sich selbst Garrett nicht so recht erklären: „Man hat uns immer gefragt, warum wir keine Liebeslieder schreiben, aber ich glaube, zu so etwas kann man sich nicht zwingen. Bei dieser Platte ist es einfach passiert. “ Schlagzeuger Rob Hirst hat da seine eigene Theorie:

„Die Leute sagen, dies sei ein optimistisches Album, aber wir waren immer optimistisch, denke ich. Es ist eine Art Rezessionsalbum. (Australien befindet sich derzeit mitten in der schwersten Rezession seit 1930 – d. Red.) Es erzählt von Menschen, die nach etwas suchen, was ihnen Hoffnung gibt, elwas, das besser ist als das, was sie im Moment haben. „

Natürlich kann eine solch politisierte Band wie Midnight Oil den Agil nicht ganz lassen: Zur Veröffentlichungs-Party von EARTH AND SUN AND MOON spannte sie die australische Rock-Presse für eine Goodwill-Aktion eing: Vor der Pressekonferenz mußten alle 89 angereisten Journalisten einen 5-Kilometer-Marsch durch den Busch absolvieren, und zu dem abendlichen Konzert der Band wurde nur eingelassen, wer eine Decke und ein Lebensmittelpaket als Spende für die örtlichen Wohlfahrtsverbände mitbrachte.

Ihr jahrelangen Kampf für die Rechte der ausralischen Ureinwohner, ihr Album DIESEL AND DUST und besonders die Single „Beds Are Burning“ haben geholfen, die Situation der australischen Aboriginals zu verbessern. Laut Hirst besinnt sich Australien seit etwa zehn Jahren zunehmend seiner „schwarzen“ Vergangenheit. Er bleibt aber bescheiden, was den Anteil der Band an dieser positiven Entwicklung betrifft: „Ich glaube, wir haben nur zu einem sehr geringen Grad dazu beigetragen. Es gibt mittlerweile so viele Aboriginal-Bands und -Künstler, die sich auch sehr stark engagieren. “ Trotz der monatelangen Aufenthalte außerhalb Australiens (Bassist Bones Hillman lebte zwischenzeitlich sogar längere Zeit in Deutschland) haben Midnight Oil nicht den Bezug zu ihrem Kontinent verloren. Hirst meint, die Band sei dadurch sogar „noch australischer“ geworden: „Man lernt, das zu schätzen, was man hat. Ich weiß, daß das ein Klischee ist — jeder, der viel reist, sagt so etwas — aber man muß sich wirklich ab und zu mal klar machen, wie gut es uns hier eigentlich geht. „