On the road


Rockstars fahren dicke Autos. Ein Rockstar will Stefan Stoppok zwar definitiv nicht sein, angemessene Fortbewegungsmittel weiß der Mann aus dem Ruhrgebiet aber doch zu schätzen. Ein gewisser Komfort kann ja auch nicht schaden, wenn man soviel rumkommt wie er.

Stefan Stoppoks Auto ist kaputt. Die Werkstatt hat bei dem roten Cadillac einen Cetriebeschaden diagnostiziert. Aber, hey,die hätten einen feinen Buick dastehen, weiß Achim, der Drummer, zwar dunkelblau, nicht rot, aber den müßte man halt lackieren… Moment mal. Cadillacs? Buicks? Wovon reden wir hier eigentlich? „Ha!“, Stoppok spielt den Ertappten, „nächsten Monat steht’s im ME: ‚Stoppok, der Ruhrgebiets-Knödelbarde macht immer einen auf sozialkritisch, aber Massagesitze im Cadillac! Dat geht aber so nicht weiter!'“ Na gut, jetzt wollen wir mal nicht dramatisieren, aber so ganz paßt die Vorliebe für amerikanische Straßenkreuzer – „Die sind so herrlich kitschig und tierisch komfortabel“, schwärmt er-wirklich nicht in das Stoppok-Bild, das einem Medien wie Plattenleute vorkauen: Wo man hinschaut, wird da das Hohelied auf den „Normalen“,den „Kumpel wie du und ich“ gesungen.“Dieses Bild stimmt definitiv nicht“, entgegnet Stoppok und versucht, es zurechtzurücken: „Ich mache Musik um der Musik willen. Das klingt jetzt wie ein Klischee, aber für mich ist Leben und Musik i:i, das gehört zusammen. Das ist wohl das’Normale‘.was die meinen. Aber es wird falsch dargestellt, weil ich ja nicht ’normal‘ bin in dem Sinne. Ich arbeite nicht normal im Pütt oder bin normal arbeitslos wie die meisten. Ich hab das Glück, mit Musik Geld zu verdienen und führ‘ ein völlig anderes Leben. Ich bin auch nicht der Kumpel an der Ecke, mit dem sich jeder identifiziert oder der auf Schalke abhängt. Ich bin ja überhaupt kein Fußballfan. Ich hasse Fußball.“

Mittwoch nachmittag in der Zeche Bonifacius in Essen-Kray. Seit drei Jahren haben sich Stoppok und sein „Clan“ in der prunkvollen,jetzt charmant heruntergekommenen Lohnhalle der seit 20 Jahren stillgelegten Zeche eingemietet. Unten im Büro wird gemanagt, in dem gemütlich-chaotischen, mit allerlei traditionellem bis exotisch-kuriosem Saiteninstrumentarium vollgestellten Studio im ersten Stock legen Achim und Stefan gerade letzte Hand an eine Produktion: Die Stoppok-Band hat mit „Akkordeon-Günner“, einem 65jährigen Essener Original, eine Platte eingespielt. Als Fleißaufgabe haben sich die beiden einen Techno-Remix eines der Stücke vorgenommen – sind aber gar nicht so glücklich damit. „Seit zwei Tagen machen wir jetzt mit den Computern rum, stöhnt Stoppok. „Wir ziehen’s durch, aber es ist letztendlich langweilig. Spätestens nach zwei Stunden geht’s immer los:’Komm, jetzt laß uns erst mal was trinken gehn, was essen‘, oder so.“Maschinen sind nunmal nicht das Ding von Stoppok, dem Vollblut-Musiker.

Neben dem Hauptgebäude steht der alte Förderturm der Zeche, von der Erbengemeinschaft, der das Gelände gehört, gerade teuer restauriert – Denkmalschutz. „Wenn ich sagen würde, ich bleibe zehn Jahre drin, dann würden die das Haus hier auch auf Vordermann bringen. Aber das Geniale ist ja, daß der Zustand so schön schludderig ist – und daß ich jederzeit raus kann.“Stefan Stoppok bindet sich nicht gern an einen Ort. Mit 18 kehrte er Mitte der 70er dem Ruhrpott den Rücken, um in einem alten Mercedes-Bus – ein gewisser Fahrkomfort durfte es schon damals sein – drei Jahre lang noch die hintersten Winkel Europas mit Straßenmusik zu beglücken. Im Bus herrschte ein Kommen und Gehen von Mitreisenden. Der junge Stoppok sog die Musik anderer Länder ein – „Griechen, Iren, Spanier, und jeder spielt seine Musik. Das beeinflußt einen. Multikulti schon damals. Da war ich wieder ganz weit vorn“, grinst er – und lernte so ziemlich jedes Instrument zu spielen, auf das man Saiten spannen kann. „Wenn ich einen getroffen hab’mit ’nem Instrument,das ich gut fand, dann hab ich mir den geschnappt: ‚Hier. Zeigen. Und wenn’s die ganze Nacht dauert‘.'“ Heute bezeichnet er diese Zeit „ganz klassisch klischeemäßig“ als seine „Lehrjahre“. „Das hat mir für mein Selbstbewußtsein, für das Wissen um die Möglichkeiten, die man hat, unheimlich viel gebracht. Daß du immer deine Freunde oder zumindest dich selbst ernähren kannst, solange du ’ne Gitarre halten kannst, das ist schon ein gutes Gefühl.“ In Toulouse blieb er schließlich ein paar Monate lang hängen, nach sieben Jahren in der Nähe von Augsburg lebt Stoppok seit nunmehr elf Jahren wieder im heimatlichen Essen. Und denkt mittlerweile laut darüber nach, mal wieder woanders hinzugehen. Aber das sind ungelegte Eier. Bis Ende des Jahres wird noch getourt, dann geht’s „in aller Ruhe“ an die Arbeit zum neuen Album… Aber zuallererst muß jetzt dieser verdammte Techno-Mix fertig werden. Ach was. Stefan und Achim gehen jetzt erst mal was essen.