Prodaganda


Das Schöne an Propaganda ist, daß sie durch und durch deutsch sind. Und deutsch ist in Amerika immer noch mit einem Hauch von Exotik behaftet. Deutsche Perfektion verlangt selbst hartgesottensten „Star Spangled Banner-Fanatikern Respekt ab. Musikalisch hat seit Wagner mitteleuropäische Herrlichkeit immer viel Eindruck in der Neuen Welt gemacht.

Beim Propaganda-Konzert im morbiden Ballsaal des Irving Plaza bringen dann auch die teutonische Liebe für Bombast und New Yorker Lautstärken -Wahn reihenweise amerikanische Kinnladen zum Runterklappen. Mächtige Paukenschläge und strahlende Klanggebilde lassen die bestuckten Säulen und beeindruckten amerikanischen Herzen erzittern. So viel perfektionistische Kühle gibt es in Amerika nur als Import.

Was allerdings in keinem Verhältnis zur wuchtigen Klangwalze steht, ist die magere Optik. Mag sein, daß die beiden schmalbrüstigen Walküren für New Yorker einen exotischen Reiz haben; viel mehr als charmante Unsicherheit haben sie jedenfalls nicht zu bieten. Über weite Passagen vermittelt die fünfköpfige Truppe ein dezentes Flair von Arbeitslosigkeit.

Kein Wunder, schließlich steht, trotz extrem Keyboard-lastigem Sound, nicht ein einziges Tasteninstrument auf der Bühne. Nichts gegen Playback – dafür ist der vielschichtige Klang trotz der fast schmerzhaften Lautstärke brillant. Aber irgendwie hat man das Gefühl, der Frontman würde fehlen. Front 242, der Act vor Propaganda, hatte fast gar keinen Ton selbst gespielt; aber die düsteren englischen Endzeit-Elektroniker hatten sich wenigstens die passenden Bilder zu ihren Bändern einfallen lassen.

Den größten Teil des Publikums stört die bleiche Propaganda-Maschinerie allerdings nicht; wahrscheinlich wurde es als allemannische Kühle angerechnet. Was aber läßt sich über Musik sagen, die zum größten Teil vom Band kommt? Was tatsächlich gespielt wurde, kam sauber – oder war vielleicht doch nicht gespielt; so genau war das manchmal nicht auszumachen.

So genial Trevor Horns Produkte auch sein mögen: Auf der Bühne verlieren seine Studio-Acts doch einiges an Überzeugungskraft. Vielleicht hat Propaganda in Europa ja mehr auf der Bühne zu bieten als bloße Präsenz.