Randy Newman: Der Spötter


In Würde altern? Für Chef-Zyniker Randy Newman eine Frage der Selbst- ironie. Und damit ist er gesegnet.

Ich würde nicht eine Minute zögern, für einen guten Song die Gefühle meiner Mitmenschen zu verletzen. Aber glücklicherweise merken sie das nicht“ Seit Ende der 60er Jahre stellt Randy Newman nach diesem Motto die Unzulänglichkeiten seiner amerikanischen Landsleute bloß. Allerdings war es in den letzten Jahren still um den großen Spötter und Zyniker geworden. Dabei war Newman alles andere als untätig. So komponierte er in den neunziger Jahren unter anderem Musik zu Filmen wie „Toy Story“ und „Pleasantville“ und schuf darüber hinaus auch noch das Konzeptalbum „Faust“ Doch erst sein 1999 erschienenes Album „Bad Love“ nickte den Sänger und Songschreiber wieder in das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Und das völlig zu Recht, denn mit „Bad love“ glückte Newman sein bis dato reifstes Werk. Zeigt doch gerade dieses Album neben vertraut sarkastischen Zügen auch die sanfte, verletztliche, liebevolle Seite des auch hier zu lande geschätzten Songwriters. Von Newmans musikalischer Meisterschaft zeugen auch seine Arrangements. Zwischen sägender Gitarre und hingehauchtem Piano präsentiert Newman sich in künstlerischer Bestform. Auf Bekundungen dieser Art reagiert er jedoch eher zurückhaltend: „Ich weiß nicht, ob ‚Bad Love‘ das beste Album ist, das ich je gemacht habe. Aber ganz sicher sind meine bisher professionellsten Arrangements darauf zu hören. Was das betrifft, habe ich eine Menge gelernt, als ich mit Filmmusiken beschäftigt war. In dieser Zeit habe ich mir auch die Disziplin antrainiert, Musik in einem bestimmten Zeitrahmen zu schreiben. Diese Fähigkeit hätte ich auch früher schon gern besessen. Denn manchmal ärgere ich mich, dass ich in 30 Jahren Musikbusiness nur elf Pop-Alben zustande gebracht habe.“ Ein paar Aufnahmen mehr hätten sicher auch Newmans treue Fans erfreut. Immerhin hat die Welt dem singenden Zyniker schwarze Songperlen wie „Short People“ zu verdanken – ein Lied, das Newman in den USA den Zorn zumindest jener einbrachte, die seinen Zynismus für bare Münze nahmen. Auch „Bad Love“ bietet Bitteres. Newman thematisiert das Schicksal der amerikanischen Ureinwohner unter dem Joch der Huropäer, das Fernsehen als Kommunikationskiller und die Sehnsucht nach liebe im Leben eines alternden Mannes. Eine ganz bestimmte Frage drängt sich da geradezu auf: Wie geht Newman, immerhin 56, selber mit dem Älterwerden um? Es antwortet Randy, der ewige Schelm: „Die jungen Leute laufen mir in letzter Zeit zu schnell. Und neulich hat mir ein junger Mann geholfen, meine Tasche zu tragen! Das tut weh. Aber glücklicherweise hat der Kopf sich ein paar Tricks ausgedacht, damit das Altem einfacher wird – zum Beispiel lässt der Sex- und Jagdtrieb nach. Das spart dir eine Menge Zeit, die du für andere Dinge brauchen kannst.“ Newmans Selbstironie ist fast in jedem Song von „Bad Love“ spürbar. Auch Autobiographisches fand den Weg auf die Plane: „Die Familienszene vor dem Fernseher in My Country‘ habe ich selbst so erlebt. Vater lag auf dem Sofa, Mutter saß im Sessel, und mein Bruder und ich hockten auf dem Fußboden – als ob wir zwölf Jahre lang um eine Feuerstelle gesessen hätten, ohne uns anzusehen! Und heute ärgere ich mich, wenn meine Kinder ausgerechnet dann zu Besuch kommen, wenn ich mir ein Baseball-Spiel ansehe.“ Im Song „I Want Everyone To Like Me“ heißt es: „Ich möchte die Anerkennung meiner Kollegen“ Wer genau, wollen wir wissen, ist gemeint? Newmans Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „James Taylor vielleicht oder Tom Waits. Auch Billy Joel ist ein ernsthafter Schreiber. Prince dagegen hat verdammt nachgelassen. Und Stevie Wonder ist in den Balladen-Kitsch abgerutscht.“ Und Kitsch ist nun mal nicht Newmans Sache. Deshalb, sagt er, sei er auch gern in Europa: „Ich habe das Gefühl, dass man hier meine Musik ernster nimmt als in Amerika. Es ist eben nicht die Art von Musik, zu der man Kartoffelchips essen kann und mit Freunden quatscht. Ich schreibe Kurzgeschichten, keine Liebeslieder. Hör dir doch mal einen gewöhnlichen Lovesong an – da ist ja jede Sportzeitung interessanter! Mit Kritik an Kollegen hält Randy nicht hinter dem Berg („…so schlecht wie Barry Manilow könnte ich gar nicht schreiben“). Für Newman selbst gilt fraglos anderes: je älter, desto besser.