Santana
Abraxas
Ein Jahr ist ins Land gegangen bis uns Santana ihre neue LP „Abraxas“ präsentierte. Eine lange Zeit, so meine ich, die aber musikalisch auf der Scheibe keinesfalls gerechtfertigt ist. Man kocht auf Sparflamme und lässt schon gar keine Experimente zu, denn das könnte ja einen neuen Sound heraufbeschwören, den man bei Santana tunlichst vermeiden möchte. Man gibt auf der neuen LP unumwunden zu, dass man die amerikanische Folklore, die ja auch gut zum Stil dieser Gruppe passt, über alles liebt. Man hat die Patina, die auf den Jahrhunderte alten Titeln liegt, wie „Oye como va“ oder „Ce a cabo“ nicht agressiv abgekratzt, sondern man hat noch mehr draufgepackt. Die beiden Stücke sind durch Santana traditioneller geworden, als sie in Wahrheit sind. Der Conga-Rhythmus, sowieso schon mit normaler „Werner-Müller-Spielweise“ überbetont, ist auf eine Art und Weise expandiert worden, dass eben nur noch Rhythmus übrigbleibt. Wenn die.ganze Chose dann auch noch vom Schlagzeug unterstützt wird, haben Carlos Santana und Grey Rolie keinen Spielraum mehr, weil der Rhythmus die Musik macht. Peter Green’s Stück „Black magic women“ verirrt sich auch in diesem Congadschungel, der sogar auch diese Nummer so südamerikanisch werden lässt, als hätte es nie eine andere Fassung gegeben. Das Arrangement ist sehr simpel – gekonnt. Peter Green wird sich freuen, wenn er seine Fassung wieder hört. Eine LP für Liebhaber, die in abendlicher Weinoder Bierlaune – high darf man nicht sein – schnell ein Tänzchen wagen und dafür dann auch die etwas eher unterkühlt progressiven Klänge in Kauf nehmen. Trotzdem sollte man diese LP nicht leichtfertig aus den Händen geben. Congas und Bongos zaubern nunmal einen afro-asiatischen Rhythmus herbei, der bei anderen Gruppen als Bereicherung akzeptiert wird. Wenn er aber, wie bei Santana, und dann noch bei den meisten Titeln, zum Hauptargument wird, finde ich das sehr bedauerlich. Dass es aber auch ganz anders geht, beweist der Titel „Mothers daughter“, 2. Track, 2. Seite. Mutters Tochter hat sich von diesem Trend freigemacht. Hier wird in einer Richtung gearbeitet, die einem vertraut vorkommt. Harte Breaks von Gitarre und Orgel reissen das Stück periodenmässig zu neuen Höhepunkten hinauf. Die Stimme von Carlos Santana, sehr weich, warm und ungewohnt. Von Makel frei ist das Stück auch nicht, es ist nämlich zu kurz. „Samba pa Ti“, das Carlos sich selbt auf den Leib geschrieben hat, passt wie eine zweite Haut. Sehr weich, sehr melodisch und einschmeichelnd, ohne die ausser Rand und Band geratenen Congas, ohne Effekte, einfach und ergreifend. Es ist ein Blues, der unter die Haut geht, fürwahr. „Hope you’re feeling better“ ist eine berechtigte Frage, die am Schluss dieser zweiten Seite gestellt wird. Das ist wieder Santana, wie man ihn von der ersten LP her kennt. Santana unterstützt seinen Gesang mit kräftigen Wah-Wah-Effekten. Hämmerndes Schlagzeug und Orgelakkorde, wo voll in die Tasten gegriffen wird, komplettieren dieses Stück made Santana zu einer runden Sache. Durch diese wenigen Titel, die sich von der übrigen LP abheben, wie eine Kuh von der Milch, die sie gibt, ist man keineswegs versöhnt. Die Grundtendenz ist zu stark auf Rhythmus ausgerichtet, obwohl, es doch auch ganz anders geht, wenn man sich die Scheibe anhört.