Achim Reichel – Regenballade

So fruchtbar Achim Reicheis Einfluß auf die Wiederbelebung deutschen Lied- und Gedichtsgutes bei der Gruppe Ougenweide ist, die er produziert hat, so schwer tut er sich bei der „Regenballade“, hinter der das gleiche Konzept steht. Musikalisch eher eintönig, fast stiefmütterlich behandelt (alle Instrumente spielt Achim selbst, bei einigen Stücken von Lutz Rahn von „Novalis“ unterstützt) präsentiert Reichel eine Schulbuch-Anthologie deutscher Gedichte. Die reicht von Goethes „Der Zauberlehrling“ und „Der Fischer“, der Klassik also, über zwei Balladen des Realismus des späten 19. Jhts von Detlev von Liliencron bis hin zum Frühexpressionismus von Arno Holz. („Een Boot is noch buten“). Was sich hierzu Deutschrock im wahrsten Sinne des Wortes verdichtet klingt, als wären im Kopf des Pennälers Achim Reichel Deutschstundentrauma und die zur gleichen Zeit gemachte Bekanntschaft mit dem heißen Rock’n’Roll im Hamburger „Star-Club“ etwas durcheinander geraten.

Die Tücke des Objekts sind dabei zumeist die strenge Versform und die zahlreichen Strophen der Gedichte. So fällt Achim denn auch zu Fontanes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ nur ein monotoner Four-beat ein. Ähnliches gilt für Liliencrons „Pidder Lüng“ oder Goethes „Zauberlehrling“. Recht gelungen sind eigentlich nur die leise mit akustischer Gitarre und Mundharmonika vertonten Verse von Arno Holz, „Een Boot is noch buten“ und der populären, recht ironischen Goethe-Ballade vom „Fischer“, den eine Meerjungfrau zu sich in die Tiefe zieht: „halb zog sie ihn, halb sank er hin, und ward nicht mehr gesehen.“ Das Titelstück, die „Regenballade“ der Sächsin Ina Seidel wird von Achim recht hübsch zitiert (singen kann man kaum sagen). Die Dichterin, zu Unrecht vergessen, könnte auf diese verblüffende Weise wieder zu Ehren kommen. Daß Achim aber zum Thema „Schiff in Seenot“ gleich zwei Gedichte in seine Sammlung aufnahm – neben dem Arno Holz-Titel auch noch Otto Ernsts „Nils Randers“ – ist denn doch des Guten zuviel: Langeweile macht sich breit. An dem mit „Dat Shanty Alb’m“ und „Der Klabautermann“ gesetzten Maßstab gemessen, kann man die „Regenballade“ nur als misslungen bezeichnen.