Ben Folds Five – The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner :: Platte des Monats:

Gründe, warum das dritte Album der Ben Folds Five Platte des Monats ist: Es heißt THE UNAUTHORIZED BIOGRAPHY OF REINHOLD MESSNER und keiner weiß, warum. Wenn man es in den CD-Player legt, sieht man, daß es nur 40 Minuten lang ist – erfrischend in Zeiten aufgeblasener Albumlängen. Man legt die Platte also ein und hört sie durch. Und nochmal. Und nochmal. Denn dies sind die kürzesten 40 Minuten, die seit langem auf einen Tonträger gepreßt wurden. Und das ist nur einer der vielen weiteren Gründe, die für REINHOLD MESSNER sprechen. „Punkrock für Schlaffis“ hat Ben Folds die rotznasig-charmanten Losgeht’s-Songs der ersten beiden BFF-Alben mal genannt. Mehr als Punkrock war das freilich schon immer. Eher sowas wie wahrhaftiger „alternative rock“ – weniger ob der vielbestaunten Tatsache, daß hier ein Piano (huch! Ein Klavier!) anstatt der Gitarre zwischen Bass und Drums steht, sondern weil Folds, Darren Jessee und Robert Sledge auch schon immer aus anderen Töpfen schöpften als das Gros der Kollegen. Jetzt haben sie ihren Bar-JazzMusical-VaudevilleRagtimePunk-Pop veredelt mit gestenreichen Streichern und effektiven Bläsern, die Folds‘ formidablen Songs (wenn der gute Mann mal nicht bald in die Bacharach-Liga aufsteigt…) die Grandezza verleihen, die ihnen zusteht. Allein der Opener „Narcolepsy“ in seinem progrockigen Vorwärtsdrängen und mit seinem bernstein-esquen Finale ist ein Lehrstück in Sachen gutartiger Pomp. Da sind Stellen auf REINHOLD MESSNER, bei denen man kichern möchte, etwa, wenn die beachboy-flockigen „Ahhh“-Harmoniechöre (das ganze Album ist übrigens eine wahre Fundgrube an trefflich arrangierten „Ahhh“-Chören) von „Regrets“ plötzlich in augenzwinkernden Pink Floyd-„The Wall“-Schwulst umschlagen. Und Stellen, die so schön sind, daß es wehtut: wenn in „Magic“, einem Nackenhaareaufsteller von klassischen Dimensionen, der Steinway beim letzten Refrain von einem Cembalo abgelöst wird. Die Leichtigkeit von früher blitzt auf, in Zitaten, Reminiszenzen, Albernheiten, auch ganzen Songs: die quirlige, bläserunterstützte Single „Army“ und das hämmernde, fuzzbasshysterische „Redneck Past“ variieren das gute alte Thema Identitätskrise („If you’re afraid they might discover your redneck past“). Doch den Grundton bildet hier eine molltönende Melancholie, die man in dieser Intensität von Folds bisher nicht kannte. „Magic“ ist offensichtlich der Nachruf auf einen toten Freund. Und was ist von Textzeilen wie „Sometimes I get the feeling that I won’t be on this planet for very long“ („Don’t Change Your Plans“) und „I don’t believe in God so I can’t be saved“ („Mess“) zu halten? Oder wenn Folds‘ Ich-Erzähler im depressiven „Hospital Song“ von den Ärzten schlechte Nachrichten bekommt? Und in „Regrets“ bedauert, daß er soviel Zeit mit Fernsehen verplempert hat? Eines steht fest: wenn Reinhold Messner in seinem Leben soviel Wärme, Humor und blanke Schönheit erfahren hat, wie hier angedeutet wird, dann ist der Mann zu beneiden. Eine Aufzählung von Gründen sollte das werden, nicht schon wieder eine Hymne. Aber manchmal hat man keine Wahl.