Big Country, Offenbach. Stadthalle

Willkommen zum Volksfest! 1500 sind gekommen, um dem Schotten-Rock live auf den Zahn zu fühlen. Die Preisfrage lautet: Wie werden die kernigen Kerle den Schwenk zu kommerzielleren Klängen, wie er gerade auf THE SEER vollzogen wurde, nun auf der Bühne umsetzen?

Zum Glück machen schon die ersten aufputschenden Gitarren-Riffs klar, daß das Quartett live an Druck nichts verloren hat -— auch wenn die Optik zunächst anderes vermuten läßt: im Hintergrund eine romantische Kulisse mit Schloßruine vor verwunschener Seenlandschaft, die durch raffinierte Ausleuchtung und Nebeltechnik mal im Sonnenuntergang rot erglüht, mal im wabernden Nebel versinkt. Stuart Adamson hat sich in einen karierten Anzug geworfen, fein gesittet mit Bandkrawatte und andeutungsweise punkig hochgebürsteten Haaren.

„Ich hoffe,ihr versteht was ich sage“ entschuldigt er sich in breitestem Schottisch. „Mein Deutsch ist miserabel und mein Englisch ist auch nicht besonders.“ Den Sound zumindest hat die Band schon nach kurzer Zeit im Griff.

Und, Stuart brüllt nicht mehr nur ins Mikro —- er singt neuerdings.

Der Wirkung der Musik tut das nicht einmal Abbruch. Da sind sie immer noch, die hypnotisierenden Gitarrenläufe, in denen Stuart und Bruce Watson von Tony Buller am Baß unterstützt werden. Mark Brzezicki hockt verschwitzt hinter den Drums und peitscht das Publikum erbarmungslos nach vorne.

Stuart hat die Menge locker im Griff. Mit „Look Away“ läßt er sie aus der Hand fressen, dirigiert den tausendstimmigen Chor mal leiser, mal lauter. Auf den zweiten 86er Hit „One Great Thing“ folgt in gebührendem Abstand das betagte „Big Country“, vom Publikum mit gleicher Lautstärke begrüßt.

Nach gut 90 Minuten wollen die Zuschauer das Volksfest natürlich noch lange nicht verlassen. Es folgen die obligatorischen Zugaben in unobligatorischer Länge. In seiner eigenwillig spröden Fassung des Smokey Robinson-Klassikers „The Tracks Of My Tears“ bemüht sich Stuart vergeblich, Bryan Ferry das Wasser zu reichen. Die Big Countrysche Version von „Honky Tonk Women“ aber läßt vollends Bierzelt-Atmosphäre aufkommen.