Bowie in Berlin von Thomas Jerome Seabrook

Ende 1975 war David Bowie ein ziemlich einsamer Mann: umgeben von einem gigantischen Tross von Bewunderern, Sklaven und Blutsaugern, zog er als frischgebackener US-Superstar mit seinem „Plastic Soul-Megazirkus durch die Welt, saß dann paranoid in LA., lebte von Milch und Paprikaschoten, hatte Visionen, blies sich täglich zwei bis drei Handvoll Koks in die Birne, sah aus wie ein unguter Zwitter aus Wahnsinn und Tod und erkannte, wenn er in den Spiegel sah, höchstens die Rasierklinge wieder. Denn kam Station to Station, laut Bowie (der sich an die Produktion später nicht mehr erinnerte) Ausdruck des verzweifelten Wunschs, nach Europa zurückzukehren. Das tat er dann. und zwar mit einem simplen, aber wirksamen Plan:“Finde Leute, die du nicht verstehst, und einen Ort, wo du nicht sein willst. Und dann geh da hin.“ Dieser Ort war Berlin, wo „heroes“ und (zumindest Ideen bzw. Teile von) low und lodger entstanden, die vielleicht wichtigsten Bowie-Alben überhaupt und mit einiger Sicherheit die wirkungsmächtigsten – man denke nur an U2, die mit Achtung, baby den zumindest kommerziell erfolgreichen Versuch unternahmen. Bowies Vorgehen zu imitieren (mit Brian Eno als Produzent, was lustigerweise rückstrahlend dazu führte, dass Eno heute gerne auch für den Produzenten der „Berlin-Trilogie“ gehalten wird -es war aber Tony Visconti). Das ist faktisch alles längst bekannt aus gut zwei Dutzend Bowie-Biografien. Diskussionsforen und anderen Quellen. Hingegen sind die drei Alben zwar ebenfalls ausgiebig beschürft, analysiert und gedeutet worden, aber nicht oft so minutiös, einfühlsam, kundig und psychologisch schlüssig wie von Thomas Jerome Seabrook, weshalb sein Buch nicht nur selbst für Bowie-Tiefkenner eine interessante Lektüre ist, sondern vor allem viele andere überflüssig macht. >» www.david bowie.com