Bruce Cockburn – You’ve Never Seen Anything

Das circa zwanzigste Studioalbum des Folk-Poeten aus Toronto, diesmal mit stark jazzigem Einschlag und auf gewohnt hohem Niveau.

Ein Klischee gefällig? Bruce Cockburn ist das gute Gewissen des Pop. Ein Floskelchen noch? Nie war er so wertvoll wie heute. Seit über dreißig Jahren und zwanzig Platten (Live- und Best-of-Alben gar nicht mitgerechnet) verbindet der Kanadier, Jahrgang 1945, Folk und Furor, Poesie und Protest, destilliert aus Rock und Reggae, aus Jazz und Ethno-Elementen wunderfeine Songs, in denen er Klartext spricht: „If I had a rocket launcher“, wütete er 1984 auf Stealing Fire gegen die US-Militärhilfe in Nicaragua, „some son of a bitch would die.“ Gutmenschentum, it ain’t. Welch ein Glück, You’ve Never Seen Everything klingt vertraut, im Vergleich mit den letzten Alben des Folk-Poeten indes sacht modifiziert: die Musik ist näher am sanften Jazz-Flow der Spätsiebziger-Platten, die Vocals ein Sprechgesang im Talking-Blues-Idiom, die Texte düster, doch nicht bar jeder Hoffnung, die Songs unaufdringlich, voller unterschwelliger Reize, komplex, aber dabei auch ungemein eingängig. Pianist Andy Milne, der alte Weggefährte Hugh Marsh (Violine), Bassist Larry Taylor und Schlagzeuger Stephen Hodges gehen auf You’ve Never Seen Everything so zurückhaltend wie zupackend zu Werke. Jackson Browne, Emmylou Harris und andere steuern beseelte harmonies bei. Das neunminütige Titelstück, dazu „All Our Dark Tomorrows“ und „Postcards From Cambodia“ gehören mit zum Besten, was Cockburn je geschrieben hat, und das Album gewiss zu seinen gelungensten.

Word up: „Messenger wind swooping out of the sky/Lights each tiny speck in my human kaleidoscope/With hope.“ (aus „Messenger Wind“)

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