Buch

Unknown Pleasures – Die Joy-Division-Story

von Peter Hook

Die Geburt der großen Band und ihr tragisches Ende – aus der Sicht ihres Bassisten.

Peter Hook sprüht in der Regel vor Anekdoten. Dass der Bassist auch anders kann, war zu spüren, als er sich nicht am selben Tag wie sein New-Order-Kollege Bernard Sumner interviewen lassen wollte – man könnte sich ja im Hotel begegnen. Damals waren sie noch in einer Band – seit 1976. Seit 2007 sind sie es nicht mehr. Danach schrieb Hook ein Buch über den Club Haçienda in Manchester, dessen Mitbesitzer er war. Und nun eines über seine erste Band: Joy Division.

Sumner und Hook gründeten die Band nach einem Sex-Pistols-Konzert. Zusammen mit dem Sänger Ian Curtis und dem Schlagzeuger Stephen Morris wurden sie als Joy Division zu einer der essenziellen Post-Punk-Bands – und waren auf dem Sprung zum großen Ruhm, als Ian Curtis sich am 18. Mai 1980 das Leben nahm. Der Rest der Band machte weiter als New Order.

Hook geht oft ins Detail. Wir erfahren, dass für die Streiche, die Joy Division einer anderen Band spielten, Maden, Rasierschaum, Mäuse und Eier benötigt wurden – und wundern uns, was für ein ungehobelter Haufen diese Band war. Das ist genau der Effekt, den Hook erreichen möchte. Er will zeigen: Auch der empfindsame Curtis war „one of the lads“.

Die Schwierigkeit des Buches ist, dass man einerseits um das tragische Ende der Geschichte weiß – und dass das Buch eines ist von unbeschwerten jungen Männern, denen plötzlich alles zu gelingen scheint. Hook hält diese prekäre Balance die meiste Zeit. Er benennt Momente, in denen die Band zu ihrem an Epilepsie leidenden Sänger hätte sagen müssen: „Es reicht!“ Doch Curtis habe stets gesagt, alles sei in Ordnung. Hook äußert Schuldgefühle, aber er spart nicht mit Spott über seine Mitmusiker. Beim Lesen ist man froh, nicht mit Peter Hook in einer Band zu spielen.

***** Felix Bayer

Untitled

von Joachim Bessing

Ein Roman darüber, dass es ans Eingemachte geht, wenn es wirklich Liebe ist.

In Südfrankreich entdeckt der Erzähler einen Honda-Motorroller, „ein Sondermodell namens Werther“. Doch wo Goethe seinen unglücklich Liebenden in Briefen vorstellte, hält der Ich-Erzähler von „Untitled“ über das iPhone Kontakt zu seiner geliebten Julia Speer. Dass er so in seiner Zeit verankert ist, ist nicht die geringste Stärke dieses Romans. Er vermittelt, dass mithilfe von per iTunes versandten Liedern, bei Instagram kommentierten Fotos und aufploppenden Nachrichtensprechblasen eine Nähe zwischen zwei Menschen bestehen kann. Und dass sie doch nicht alles ist. Denn der Erzähler will sein Leben mit Julia teilen – doch die will ihren Mann nicht verlassen. Was eine leidenschaftliche Liebe mit einem Menschen machen kann, das schildert Bessing empfindsam. Er lud einst zum popkulturellen Quintett „Tristesse Royale“; in seinem zweiten Roman schwirren die popkulturellen Zeichen umher, und doch sind es schließlich große Worte wie „Demut“, „Anmut“ und „Trostlosigkeit“, die der Erzähler erstmals zu verstehen glaubt, der Größe seiner Liebe wegen. Man fühlt mit dem Liebeskranken, auch wenn er einem manchmal auf den Geist geht.

**** Felix Bayer

Berlin-Baku – Meine Reise zum Eurovision Song Contest

von Christiane Rösinger

Fremde Länder, seltsame Lieder: ein VW-Bus-Reisebericht.

Am Ende ist die Reisende ernüchtert: Man müsse von einer Propagandashow sprechen, urteilt Christiane Rösinger über den Eurovision Song Contest (ESC) 2012 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Das konnte man zwar auch daheim vor dem Bildschirm erkennen, als der Präsidentenschwiegersohn den Pausenfüller sang. Aber da nun mal ein Jahr zuvor die Reiselust ausgebrochen war, war die Berliner Sängerin und Autorin tatsächlich vor Ort und angewidert angesichts des Großreinemachens, das zum ESC in Baku stattgefunden hatte. Doch ist dieses Buch keine verspätete Reportage über ein Despotenspektakel, sondern der Weg ist das Ziel: „Berlin-Baku …“ ist vor allem ein Reisebericht, erzählt mit dem abgeklärten Witz, der Hörern von Rösingers Songtexten (auch für die Lassie Singers und Britta) wohlvertraut ist. Mit dem VW Bus ist sie zusammen mit einer Reisegenossin unterwegs und es geschieht … nicht eben viel. Das ist zwar nicht schlimm, von Christiane Rösinger läse sich auch ein Tagebuch über eine Reise nach Malmö (der ESC-Stadt 2013) humorvoll, lehrreich, persönlich. Aber es gab gewiss schon dringlichere Bücher als dieses.

***1/2 Felix Bayer

Gefährlich gute Grooves – Liebe, Tod & Duran Duran

von John Taylor

Und noch eine Band-Erinnerung eines Bassisten.

Als Bassist von Duran Duran war John Taylor eines der Teenie-Idole seiner Zeit – und passenderweise beginnt seine Autobiografie auch mit einer Szene, in der schreiende Mädchen die Musik übertönen. Er traf Idole wie Andy Warhol oder Bryan Ferry, er spielte einen James-Bond-Titelsong, es gab Sex, es gab Drogen – und es gab Einsamkeit. John Taylors Erinnerungen sind nicht frei von Klischees und Namedropping, doch zum Glück hat er einen sehr herzlichen, selbstironischen Erzählstil. Er schildert die herrlich missglückten Anfänge (unter anderem mit Stephen Duffy), bis Duran Duran endlich ihre Idealbesetzung und ihren Stil finden (mithilfe von Haarfärbemitteln wie „Crazy Colour“ und „Manic Panic“). Dann ging alles sehr schnell, und spätestens nach dem legendären Jacht-Video zu „Rio“ gab es „kein Zurück mehr in den Underground“. Der herrlich bescheuerte deutsche Buchtitel „Gefährlich gute Grooves“ trifft’s dabei nicht, denn albern ist dieses Buch nicht, erst recht nicht in der Schilderung der späteren Entzugs-, Trennungs- und Wiedervereinigungsjahre. Schön, dass sich John Taylor erinnert hat.

**** Felix Bayer

Die schreckliche Wirklichkeit des Lebens an meiner Seite

von Christoph Höhtker

Luxus und was man daraus macht: etwas zu snobistischer Poproman aus dem Bankermilieu.

Auf Seite acht vermutet man es, auf Seite 14 ist man bei der latent sabbernden Beschreibung des Hinterns einer jungen Dame sicher: Der Protagonist dieses Romans, der sich um die Website eines Schweizer Finanzunternehmens kümmert, ist ein nicht sonderlich sympathischer Mensch. Höhtker lässt den jungen Deutschen in Genf leben, nein, durch das Genfer Leben hetzen, immer auf Zack, immer mit einer Vielzahl an Gedanken im Kopf, aber diese Gedanken verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind, vor allem, wenn sie jenseits des eigenen Befindens angesiedelt sind. Natürlich spielen Drogen eine Rolle und Sex auch, sogar – quelle surprise – Sex unter Drogeneinfluss und vor allem Geld beziehungsweise alle Dinge, die Geld kosten. Ein wenig klingt das alles so, als würde der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter den amerikanischen Erfolgsautor Bret Easton Ellis covern. Die Frage ist: Braucht man das? Ist dieser ganze Komplex Popkultur nicht seit spätestens zehn Jahren voll durch? Das stimmt, aber Höhtker sieht darüber so großzügig hinweg und schildert so gekonnt, dass man als Leser gerne mitgeht.

**** Jochen Overbeck