Buena Vista Die Musik Kubas :: von Maya Roy
Kuba im Kino, der Buena Vista Social Club im Fernsehen und eine permanente Versorgung durch die Printmedien. Wer heutzutage noch nichts von der lebendigen Musikszene der Zuckerrohrinsel gehört und gesehen hat, lebt entweder in einem schwer zugänglichen Gebirgstal der inneren Mongolei oder interessiert sich grundsätzlich nicht für Musik. Nur: Vieles von dem, was da über Kubas Klänge verbreitet wird, ist tropisch heiße Luft. Das Klischee von lebenslustigen Senioren mit Rhythmus im Blut, die trotz Kommunismus, US-Embargo und angespannter Versorgungslage munter musizieren, mag europäische Boulevard-Leser ja anrühren, ist jedoch nicht einmal die halbe Wahrheit. Irgendwie stört daran auch die bisweilen durchscheinende Kolonialherren-Attitüde nach dem Motto: „Ohne Wim Wenders und Ry Cooder würdet ihr noch immer für Brot und Seife anstehen“. Aber wir Kapitalisten haben’s ja gerne gemacht, nicht wahr? Der Maximo Lider war eben zu blöd dazu, und außerdem stinkt Geld nicht. Tatsächlich sind Cooders und Wenders’Verdienste um die weltweite Verbreitung kubanischer Musik kaum zu überschätzen. Doch beide sind bescheidene Menschen, die sich wohl in erster Linie als respektvolle Vermittler verstehen. Wer seine Kenntnisse über die real existierende Musik Kubas vertiefen möchte, ohne von besagten Klischees belästigt zu werden, findet in Maya Roys BUENA VISTA – DIE MUSIK KUBAS ein wahres Standardwerk zum Thema. Profund werden die verschiedenen Musizierstile erklärt, ihre jeweilige Herkunft und Instrumentierung. Man lernt die Geschichte Kubas kennen, prominente sowie weniger prominente Musiker und erfährt, welchen Stellenwert traditionelle und moderne Klänge auf der Insel genießen. Kuba als Schmelztiegel der Kulturen, wo sich afrikanische Trommeln, spanische Gitarren und amerikanischer Jazz gegenseitig befruchten. Von der Sklavenzeit ist die Rede, von Imperialismus, Revolution und dem heutigen Status als sozialistisches Freilichtmuseum für Touristen, denen der Sinn nach kühlen Drinks und heißer Musik steht. Den überaus lesenswerten, da aufschlussreichen Schlusspunkt der deutschen Ausgabe bildet Arno Frank Esers Nachwort „Der große Kuba-Boom“. Man erfährt, dass jene Klänge, die europäische Herzen momentan im Afrocuban-Beat schlagen lassen, auf der Insel zwar als Kulturgut gepflegt werden, mit zeitgenössischer kubanischer Popmusik aber nur wenig zu tun haben. In Havanna wird derzeit nämlich – wie im Rest der Welt – zu HipHop und Techno getanzt. Boygroups gelten leicht verspätet als total hip, während der kubanische Mainstream von Schlagern und Schnulzen regiert wird – die Eser als „musikalische Umweltverschmutzung“ brandmarkt. So was lesen Kuba-Fans mit einem Hang zur nostalgischen Verklärung natürlich gar nicht gern. Es ist aber dennoch die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit. Und sehr interessant.
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