Charli xcx

BRAT – Das Popalbum des Jahres?

Warner (VÖ: 7.6.)

Ist das alles ernst gemeint oder erlaubt sich Hyperpopsuperstar Charli xcx einen gigantischen Scherz? Eigentlich egal, wenn es so verdammt gut klingt.

Eigentlich war das ja alles zu kalkuliert: das Musikvideo zur minimalistischen Pophymne „360“ war so etwas wie ein Gipfel aller angesagten Internet-It Girls von Julia Fox über Emma Chamberlain bis hin zur ikonischen Chloë Sevigny, sie bespielte das coole New Yorker Internetradio The Lot ebenso wie eine Aufzeichnung der Online-Clubnacht Boiler Room gemeinsam mit all ihren coolen Musiker:innen- und DJ-Friends, und hinterließ bei all dem einen eindeutigen Eindruck von too cool for school.

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Aber zur Geschichte von Charli xcx gehört auch immer eine gewissen Doppelbödigkeit – und die treibt sie auf diesem sechsten und vielleicht besten Album ihrer Karriere so far auf die Spitze. Auf ihrem letzten Album „Crash“ kreuzte sie absoluten Mainstreampop mit einer brutalen, ja, manchmal sogar abstoßenden Ästhetik voller Blut und Selbstzerstörung – auf „brat“ dagegen perfektioniert die Künstlerin, die mit Songwriting wie für„I love it“ von Icona Pop, oder „Fancy“ von Iggy Azalea und eigenen Mixtapes und Alben wie „Pop 2“ oder „How I’m Feeling Now“ den Gegenwartspop so geprägt hat wie sonst nur ihr Dauer-Partner A. G. Cook von PC Music.

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Und natürlich ist er auch auf diesem Album dabei, aber auch etwa Produzentenkollegen Hudson Mohawke oder Gesaffelstein. Alles Musiker, die mit Charli xcx ihre Liebe zu fettem Bass teilen, aber Clubsounds immer auch mit Düsternis, Melancholie und Sehnsucht zusammen denken.

Charli xcx setzt sich mit Unsicherheiten, Imposter-Syndrom und Selbstzweifeln auseinander

Aber trotz der Vorabsingles wie eben „360“, dem treibenden „Club classics“ (sein Name ist Programm und zitiert Eurodance, Dubstep und vor allem die Art von Ekstase, wie man sie nur auf dem Dancefloor findet), der düsteren Heartbreak-Hymne „B2b“ oder „von dutch“ (wie auch „mean girls“ eine Reminiszenz an Bloody Beetroots, Ed Banger und die Ästhetiken der Nullerjahre), die den Eindruck einer basslastige Raveplatte vermittelten, ist „brat“ auf der nun veröffentlichten vollen Länge gespickt mit verletzlichen und nachdenklichen Momenten, auf denen sich Charli xcx mit eigenen Unsicherheiten, Imposter-Syndrom und Selbstzweifeln auseinandersetzt.

Charli XCX hat Songs für Britney Spears geschrieben – diese nahm sie nur nie auf

Die kommen zwar auch mal im Dance-Outfit daher, aber beispielsweise etwa bei dem SOPHIE-Nachruf „So I“, oder der grandiosen Meditation über pro und contra des Kinderkriegens „I think about it all the time“ auch ganz still und zart. Charli xcx ist ein Chamäleon des Pop – aber genau deswegen auch vielleicht die wahrhaftigste aller Popprinzessinnen und -prinzen: wo andere Authentizität performen, setzt sie auf das Spiel mit der absoluten Oberflächlichkeit. Und lässt damit ihr Publikum so nah an sich heran wie niemand sonst. Die vielleicht jetzt schon beste Popplatte des Jahres.

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