„Daughter of Time“ – Colosseum
Ich habe bei Colosseum immer eine Persönlichkeit vermisst, die sich stimmlich dem Klangvolumen dieser Gruppe anpassen konnte. Man hat es sowohl auf der ersten als auch auf der zweiten LP festgestellt, dass die Vocalbesetzung nicht immer ausreichend war. Das tat jedoch dem Sound als solchem keinen Abbruch. Bei ihrer neuesten LP „Daughter of Time“ hört man aber, was ein guter Sänger wert sein kann. Colosseum hat sich mit Chris Farlowe komplettiert. Er ist es, der den Sound der Gruppe vollkommen macht. Mit seiner unheimlichen Kraft zu singen, kann er von den übrigen Mitgliedern der Band gar nicht geschluckt werden, denn seine Stimme ist ebenfalls Bigband. Man ist bei dieser dritten LP neue Wege gegangen. Colosseum versucht, erstmals Streicher und Flügelhorn als Klassikinstrumente in den Sound der Gruppe zu übernehmen; so geschah dies bei „Daughter of Time“, dem Titelsong, der ausnahmsweise nicht von Jon Hiseman stammt, und „Time Lament“. Die Klassiker stellen eigentlich nur den Background dar und spielen keine führende Rolle. Bei „Time Lament“ ist es jedoch etwas anderes. Hier gibt es ein klassisches Intro, das durch Streicher voll und tragend der Gruppe als Einleitung dient. Auch sonst verschmelzen sich gerade in diesem Stück 2 Violinen, 2 Cellos, Flügelhorn und Trombone nahtlos mit der Gruppe. Ein neuer Weg bedeutet auch die erste Liveaufnahme, die Colosseum im Juli 1970 in der „Royal Albert Hall“ aufgezeichnet und für die Nachwelt konserviert hat.
„The Time Machine“, Dauer 8:12 Minuten, ein Schlagzeugsolo, das so echt die Verbundenheit Jon Hiseman’s mit seinem Instrument dokumentiert. Er fixiert Klangbilder, löst sie durch Zwischenschläge blitzschnell wieder auf, um aufs neue welche zu weben. Er zaubert mit seinen vielen Möglichkeiten, die er zur Verfügung hat, einen wahren Melodienreigen. Von seinem anfangs konzipierten Tempo steigt er 8 Minuten nicht herunter. Die 1800 Zuhörer, die damals die „Royal Albert Hall“ füllten, hat es auch so mitgerissen, dass sie auf offener Szene Beifall spendeten. Das ist bei Jon Hiseman kein Wunder und ebenso sind die anderen Mitglieder perfekte Solisten. Dick Heckstall-Smith, Sopran & Tenorsax, fühlt sich in seiner Rolle voll bestätigt, wenn er seine Solis erj giesst. Er hat einen nicht mehr wegzudenkenden Platz eingenommen. Jedoch der einzelne ist bei Colosseum nicht das Hauptargument. Erst durch die Gemeinschaft kommt die geballte Ladung von „Daughter of Time“ an und daran sind alle beteiligt.
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