Die Goldenen Zitronen – Die Entstehung der Nacht :: Kunstform Album, du frischer Sack

Zitronen strahlen Optimismus aus? Ja, unter anderem. Aber nicht dorthin, wo Krise ist. Utopie-Pop, wenn man so will. Forderung der Goldenen Zitronen an Kritik und Publikum: Sie wollen wieder verstärkt als Musiker, als Band wahrgenommen werden! Linkes Gewissen sind sie zur Genüge, eine Autorität des Subversiven, mit langen Armen in andere, ernstere Disziplinen als den Pop hinein stoßend, eine Institution des Überlebens einer urguten Idee von Punk, die vom Feuilleton bis in die Podiumsdiskussion der letzten aufrecht-alternativen Kulturzentren hinein wirkt und tut und macht. Und das ist ja heute umso wichtiger! Jaja. Erst die sog. Krise, deren Vom-Schneeball-zur-Lawine-Metarmophose noch gar nicht abgeschlossen ist, und jetzt auch noch den Bock zum Gärtner gewählt, bevor sich die Demokratie wieder vier Jahre lang zum Dösen hinlegt. Hilf, Zitrone, hilf! Aber nein, dafür machen sie doch keine Musik. Aus dem Thesenpapier zu DIE ENTSTEW’NG DER NACHT: „Text bleibt erstes Instrument. Um sich aber den Unzulänglichkeiten von Sprache, ihren Klischees oder Konfrontationslinien, aus gegebenen Anlässen zu entziehen, findet die inhaltliche Aussage der Platte ebenso drängend im Musikalischen statt. “ Und daran wollen wir uns hierin erster Linie halten. Und feststellen: So dermaßen nach Theater, wo Schorsch Kamerun und Ted Gaier ihre Miete verdienen, haben Die Goldenen Zitronen tatsächlich noch nie geklungen. Präpariertes Klavier, Gebläseorgel, Synthesizer, Handgeklopftes, Gehämmertes und Mundgeblascnes schaffen allerlei szenische, verspielte und zuweilen fast grundschultheaterschiefc, aber auch auch überraschend lyrische Musik. Rebellen im Orff-Krcis. Im Gegensatz dazu packen die Goldis mit No-Bullshit-/No-Wave-Rockern wie „Des Landeshauptmanns letzter Weg“ einen ordentlich dort, wo sich die Nerven bündeln, und finden in Stücken wie „Wir verlassen die Erde“ über Refrains zum Händehalten Wege zum Pop, die ihnen eben noch keiner zugetraut hätte. Die Goldenen Zitronen heißen einen willkommen mit und in Oliver Götz diese(r) Platte und geben gleichzeitig ein dickes Pro-Statement zur Kunstform Album ab. (Mehr Text zu den Texten im nächsten Heft.)