Die Krupps – Stahlwerk-Sinfonie

Von meinem Fenster aus kann ich auf Fabrikhallen sehen, in denen Fittings und Flanschen gestanzt werden. Jeden Morgen, pünktlich ab sieben Uhr, saust der Stanzhammer mit erbarmungsloser Gleichförmigkeit nieder, und wenn der Wind ungünstig steht, kann ich meinen Schlaf vergessen. So jäh aus den schönsten Träumen gerissen, hab‘ ich mich schon oft gefragt, ob man dieses Stanzgeräusch nicht als Taktgeber in eine Musik integrieren könnte. Man kann. Die Krupps sind mir zuvorgekommen.

Grundlage ihrer STAHLWERK-SINFONIE ist der Klang geschlagenen Stahls, zumindest zu Beginn. Zusammen mit einer monotonen Baß-Figur und einem synchron gespielten Schlagzeug bildet dieser Klang die Basis für Gitarre und Saxophon, die frei dazu improvisieren. Im ersten Teil klingt das fast wie die originalgetreue Wiedergabe von Fabrikgeräuschen: laut, eintönig und manchmal schmerzhaft. Die Krupps transportieren diese Werksatmosphäre ins heimische Wohnzimmer. Da kann sich kein Mensch mehr vernünftig unterhalten. Entweder du hörst zu, oder schaltest ab. Günter Wallraffs vertonte Industriereportagen?

Im zweiten Teil löst sich die Monotonie ein wenig. Das Schlagzeug rückt als Taktgeber wieder mehr in den Vordergrund, während der geschlagene Stahl verspielter und unvorhersehbarer eingesetzt wird. Fast scheint es, als habe man einen Abenteuerspielplatz samt der Kinder in eine Werkshalle verlegt. Allerdings verstehst du kein Wort; sind es nun geschrieene Arbeitsanweisungen oder Verzweiflungsschreie, die da in der Weite verhallen? Wenn die Platte nach fast dreißig Minuten zum Schluß kommt, dann haben es die Nebengeräusche fast geschafft, die Grundmonotonie zu entschärfen, dem ewig Gleichen eine andere Färbung zu verleihen. Wie die nun aussieht, bleibt der individuellen Assoziation überlassen, hat bei jedem Hörer eine andere Wirkung.

Die Krupps, die ja in den ME News 5/81 ausführlich vorgestellt wurden, haben hier ein Experiment gewagt, bei dem sie sich gegen herkömmliche und eingängige Klange sperrten. Die STAHLWERKSINFONIE übermittelt keine handlichen Inhalte, sondern zwingt zu individuellen Reaktionen und Rückschlüssen.