Die Singles

Letztens, bei der Leichtathletik-WM in Sevilla, Marathon-Lauf der Frauen: Da drehten die Reporter wie üblich ihre verbalen Rittberger und ließen schon bei Kilometer 10 eine Menge akustischen Sondermüll rechts und links des Wegs liegen. Nichts besonderes, meinen Sie? Gewiß doch, ja. Schon was besonderes war es allerdings, als einem der sportiven Journalisten dann doch noch ein wunderbarer Satz entfleuchte: „… die Asiatin überholt einfach so, da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.“ Wie gesagt: Ein hübscher Satz, bei dem man übrigens nicht immer gleich an China und seine landestypischen Essgewohnheiten denken sollte. Sondern vielleicht auch mal an andere Redewendungen, in denen Tiere vorkommen. „Mein lieber Schwan!“ zum Beispiel. Oder auch: „Da beißt die Maus keinen Faden ab.“ Schwer nachdenkenswert ist desweiteren „Wenn’s dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis“ – allein schon deshalb, weil wohl die wenigsten Menschen je ein solches Tier auf gefrorenem Wasser gesehen haben, (wie war’s dann mit „Da brat‘ mir doch einer einen Storch?“ – Anm. d. Red.) Anders sieht’s da schon mit den Pferden aus. Die sind ja bekanntlich schon oft vor diversen Apotheken aufgekreuzt und haben ebendort gekotzt. Womit wir ebenso übergangslos wie unzweifelhaft zwingend bei der aktuellen Single der Cranberries gelandet wären. Just My Imagination“ (Mercury) heißt das Stück Malheur, und es lädt – vor allem ob der Umsetzung im Video-Clip – nicht nur Pferde vor Apotheken zum Vomitieren nachgerade ein. Daß Dolores als irische Hartmut Englerin ihre Rolle gefunden und mit ihrem Weltverbesserungsgewinsel immer auf 250 Prozent Sendungsbewulstsein macht – geschenkt. Aber daß im Video Computeranimierte Schmetterlinge vor AKW-Kühltürmen rumflattern und Dolores inmitten der Insekten in Sandalen durch die Gegend latscht das ist so fies klebrig, das läßt sich nur mit einer Klinikpackung Kernseife wieder abschrubben. Und das tut weh. 1 Stern

Bleiben wir bei Schmerzen, diesmal aber ohne Dolores: Die New Radicals, hierzulande im Frühjahr ob ihres Albums „Maybe You’ve Been Brainwashed Too“ tüchtig gefeiert, sind bereits seit Mitte Juli Geschichte. Gregg Alexander, der Band-Vorsitzende mit den wohlfeilen Ansichten- Kostprobe: „viele Leute sind ziemlich blöde, und die Welt ist öfter mal eine Scheißwelt“ – hatte einfach keinen Feez mehr auf Mitmusiker und will demnächst verstärkt auf Produzent machen. „Someday You’ll Know“ (Polydor) ist somit die zweite und letzte Single des netten Irren und hat weniger Power als „You Get What You Give“, aber immer noch knuffiger Pop mit drei Buchstaben. 4 Sterne

Drei Buchstaben fallen den meisten Männern auch ein, wenn sie an Heather Nova denken. Beschützerinstinkte ausfahren und dann aber nichts wie Hormone vor. Okay, zugegeben: Männer sind zuweilen simpel gestrickt; so ist das nun mal. Schwerer wiegt da schon, daß dem männlichen Autor dieser Zeilen zum Waschzettel der neuen Heather-Nova-Single genau acht Buchstaben einfallen: moosdoof. Von „unheilvollem Zauber“, vom „chansonartigen Kunstlied“ und „intonierter Intensität“ wird da salbadert, daß es nur so knallt. Die Wahrheit kommt, man ahnt es schon, schlichter daher. „Gloomy Sunday“ (Zomba) ist ein 64 Jahre altes Lied, das einst als „Hymne der Selbstmörder“ galt, deshalb lange auf dem Index stand und unter anderem von Serge Gainsbourg und Elvis Costello interpretiert wurde. Heather Nova nun hat das Lied für den Film „Ein Lied von Liebe und Tod“ gecovert und singt dabei wie ein Crossover aus Zimmerspringbrunnen und sandelhölzernem Handschmeichler. Ein weiches Plätschern, nicht mehr. Oder wie der Franke sagt: „a weng’zu weinerlich“ (schreibt man’s so?). Leser, die das nicht glauben, wollen sich bitte vertrauensvoll an Albert Koch wenden – der weiß Bescheid. 3 Sterne

Bescheid wissen auch Tb« Roots. Gimmicks, Gedöns oder gar Extrem-Sampling das ist definitiv nicht das Ding der Musiker aus Philadelphia. Ne, die setzen lieber auf analoges Instrumentarium, haben Keyboarder. Bassmann und Drummer und bringen einen originären HipHop mit knochentrockenen Beats an den Start. Auf „The Next Movement“ (Polydor) gibt’s zudem noch einen säuselnden Frauenchor, der dem geneigten Hörer dezent-zarte „hahahas“ in den Gehörgang tröpfelt – und wer den hervorragenden Clip zum Song gesehen hat (echt, Martin, Du immer mit Deinen Clips. Man könnte meinen, Du arbeitest bei VIVA ZWEI-Anm.d. Red), weiß, daß der Satz „HipHop in allen Lebenslagen“ nun für alle Zeiten eine ganz andere Dimension hat. 5 Sterne

Und wo wir gerade bei anderen Dimensionen sind: In solchen bewegen sich selbstverständlich auch Robson Ponte und die Künstler des Kölner Kompakt-Labels. Und wie das zusammengeht, wird hier flugs erklärt: Robson Ponte ist ein brasilianischer Fußballspieler, wurde am 6. November 1976 geboren, spielte dereinst beim FC Guarani und steht heute in Diensten von Bayer 04 Leverkusen. Reinhard Voigt hingegen ist der Bruder von Wolfgang Voigt aka Mike Ink und hat seine aktuelle Maxi nach dem Leverkusener Kicker brasilianischer Herkunft benannt. Was, die Pfiffigen ahnen es längst, selbstredend zu zweierlei Ergebnis führt. Erstens: „Robson Ponte“ (Kompakt/ Neuton) ist eine elektrische Bananenflanke mit anschließendem Fallrückzieher und Tor! Zweitens: Wenn Kölner ihre Platten mit Leverkusenern betiteln, ist das echte Freidenker-Elektronik. 6 Sterne