Die Singles

Viel Schmach und Häme wurde in letzter Zeit über den Scorpions abgeladen. Zu Recht? Aber ja, natürlich. Und dann auch wieder: nein. Sicherlich: „To Be Number 1“ (Eastwest) ist ein fieses Stück Schallplatte, und der Videoclip zum Song ist grausam. Alte Männer machen auf nippe Szenenasen: Klaus Meine glatzenwund oben ohne, dafür aber mit einer Xavier „der Retter“ Naidoo-Sonnenbrille. Schlimm, schlimm. Das Schlimmste aber ist, daß die Scorpions anscheinend keinen Menschen in ihrem persönlichen Umfeld haben, der es gut mit ihnen meint. Einer, der ihnen sagt: Mensch Jungs, macht mal halblang – halb so viel Gas, und ihr seid immer noch schwer daneben. Möglicherweise eine Aufgabe für Heinz Rudolf Kunze, mit dem die Scorpions ja Gartenzaun an Gartenzaun wohnen.

Doch es gibt auch Gutes zu berichten diesen Monat. Zum Beispiel von einem kleinen Plüschtier in gelb, das seit Wochen zweifellos everybody’s darling ist und auf den Namen Fiat Eric hört. Ouentin Dupleux heißt der Mann hinter der Puppe, und wenn Fiat Eric elegant mosht (früher sagte man „headbangen“, Albert – aber das war früher), nennt sich Quentin Dupieux Mr. Olzo. „Flat Earth“ (Pias/Connected) heißt der Smasher von Mr. Olzo, ist wunderbar wummernder French House und auch ein weiterer Hit im Namen der Hose. Die Firma Levi’s dankt, und wir sind sowieso glücklich.

Schön sonnig ist es in Florida. Und Fettes Brot sind drei freundliche junge Männer aus Hamburg, die vor lauter Nettigkeit Freundschaftsbänder tragen. James Last litt hingegen ist letztens 70 Jahre alt geworden und seit mindestens drei Jahrzehnten der gute-Laune-Terrorist holzgetäfelter Partykeller. Richtig: Da paßt erst mal nichts zusammen. Und dann wieder doch. Denn die Brote haben James Last in seiner Villa in Florida besucht und sind mit ihm jetzt so dicke, daß sie ihn „Hansi“ nennen dürfen. Macht ein Freundschaftsband extra – und außerdem mit „Ruf mich an“ (Polydor) eine Generationen-übergreifende Zusammenarbeit, die zeigt, wo der Bartel den Most holt: HipHop von Doktor Renz, König Boris und Schiff meister und schön schmissige, orchestrale Bläsersätze, punktgenau arrangiert von Käpt’n James. Auf ’ne Art ein Held, dieser James „Hansi“ Last.

Ein solcher ist auch Ian McCulloch, der Vorsitzende von Echo & The Bunnymen. „Rust“ (Eastwest) heißt die mittlerweile 22. Single der Band, und sie klingt uns entgegen aus einem Paralleluniversum. Auf Ian McCullochs Taschenuhr ist nämlich immer noch 1985, und „Rust“ ist eine episch breite Hymne alter Machart. Ein bißchen verliebt, ein wenig verhuscht und mit einer soliden Portion Schmalz. Oder auch: einfach schön.

Schön wäre es auch, auf einer schattigen Veranda zu sitzen. Der Schaukelstuhl macht, was ein Schaukelstuhl nun mal macht; zur Rechten ein brauner Tequila mit Orange und Zimt, zur Linken ein Leguan, der bräsig vor sich hin döst. Ach ja: Klischees können manchmal auch lästig sein. „The Ride (Pt.2)“ (City Slang/EFA), eine weitere Auskopplung aus „The Black Light“, dem famosen Album der Herren Joey Burns und John Covertino alias Calexico, ist es natürlich nicht. Das ist Mexican-Folk-Lounge-Musik, die den Alltag auf Sonnenschein dreht. Einfach Schön.

Stuart David ist der Baßmann von Belle & Sebastian. Das ist die eine gute Sache. Die andere ist die: Stuart David weiß Bescheid zum Beispiel, daß ein zweites berufliches Standbein nie verkehrt ist. Looper heißt das Projekt, das er gemeinsam mit Gattin und Bruder betreibt, und Looper klingt definitiv anders als der Erstjob. Die „Ballad of Ray Suzuki“ (Jeepster/Virgin) verheiratet analoges Equipment locker mit flirrenden Loops, das Ganze ist druckvoll ohne zu bollern und perlt im Abgang sogar ein bißchen krautig. Ist toll und macht Laune.

Kakophonische Keyboard-Passagen, turmhoch in- und aufeinander geschichtet, fiese Fiepsgeräusche und allerlei prähistorische Synthies, die im Gehörgang schmerzen das ist normalerweise der Job von Add N To (X). Nichts für zarte Seelchen also. „Metal Fingers In My Body“ (Mute/Intercord) kommt für Add N To(X)-Verhältnisse vergleichsweise harmlos und strukturiert daher – vielleicht auch, weil der Track eigentlich ein postmodernes Liebeslied ist: Im Clip zum amtlichen Extrem-Orgeln läßt sich’s eine gut gebaute Frau in allen möglichen Variationen von einem solide bestückten Roboter besorgen. Die obligatorische Zigarette danach muß sie allerdings allein rauchen, dem Robo-Popper hat’s vor lauter Anstrengung die Festplatte zerbrazzelt. Mensch besiegt Maschine – so soll es sein.

So, liebe Leser und Leserinnen: Es ist spät geworden. Und bevor die Geschäfte schließen, muß noch fix dieses gelbglasige Brillengestell besorgt werden, Modell Meine/Naidoo. Aber da ist ja noch ein junger Mann, der gerade mittenmang im Streß der Reifeprüfung steckt. Joachim Spieth heißt er, und für den sollte man sich schon ein paar Minuten Zeit nehmen. Schließlich macht Joachim Spieth auch nicht nur voll konzentriert auf Algebra, Genetik und den Kategorischen Imperativ, sondern hat auch noch Muße, eine beschwingte House-Maxi herzustellen: „Abi ’99“ (KOMPAKT) shuffelt heiter und unbeschwert vor sich hin, ohne ins Gedaddel abzudriften. Kein Knaller, aber gewiß hübsch für die Hollywoodschaukel und im Abi gute 11 Punkte wert.