Diverse – …hören Sie mal rot

Die Beatles haben sich getrennt, aber Janis Joplin, Jim Morrison und Jimi Hendrix leben noch. Nach dem „Prager Frühling“ hat der Warschauer Pakt die Reihen längst wieder fest geschlossen, derweil die USA in Vietnam ihr Debakel erleben. In Deutschland verbreitet der große Willy Brandt Aufbruchstimmung, die 68er haben es auf ihrem Marsch durch die Institutionen immerhin von der Straße in die Säle geschafft, der Feind steht rechts und der Zyniker im Abseits. Es ist der Sommer 1970: Die politisch korrekte Bardenszene um Dieter Süverkrüp, Franz-Josef Degenhardt und Hanns Dieter Hüsch trifft sich in Essen zum geselligen Arbeiterlieder-Absingen. Der Pläne-Verlag hat, nachdem die zugehörige Live-LP natürlich längst vergriffen ist, diese Sternstunde der Akustikklampfen-Agitation auf CD umgehoben. Nachgeborenen werden Hymnen wie – ähem – „Wir schützen die Sowjetunion“ zu Gehör gebracht, dazu – wo zwei in Karl Marxens Namen zusammenstanden, durften sie nicht fehlen – „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“, „Die Internationale“ und andere Barrikaden-Balladen. Hedonisten werden sich vor naivem Sozialkitsch und Melodien aus der Mottenkiste ekeln. Alten Kämpfern werden Tränen in die Oberstudienratsbärte tropfen. Wir anderen erhalten ein Zeitdokument, das nicht so lustig ist wie HEINRICH LÜBKE REDET FÜR DEUTSCHLAND, mindestens so unsexy wie Billy Bragg, aber auch so romantisch, wie es nur ein Kuß sein kann – oder eben eine geballte Faust.