Diverse – Warp 20 :: Knöpfchendreher Und Indierocker

Mit einem umfangreichen Boxset feiert das Stammhaus geistreicher EleCtronica sein 20-jähriges Jubiläum. Bombenleistung, ehrlich! Wer so lange ununterbrochen mit einem unabhängigen Label am Start sein will, und dann auch noch im schwierigen Segment der experimentellen elektronischen Musik, der braucht Geschick und Kondition. Steve Beckett und die Mitarbeiter von Warp dürfen sich also kräftig auf die Schultern klopfen, besonders für die Bewältigung des zweiten Teils der Wegstrecke. Die veränderten Bedingungen am Plattenmarkt, klar. Es ist aber grundsätzlich nicht so einfach, weit voraus zu planen, weil sich derTrend alle fünf, sechs Jahre gerne mal dreht. Aphex Twin, Autechre, LFO und Nightmares On Wax, alles Identifikationsfiguren der frühen Warp-Jahre, haben in letzter Zeit an Bedeutung eingebüßt und können eine Firma nicht mehr tragen. Also musste man sich etwas überlegen. Zuerst verlegten Beckett und Mitgründer Rob Mitchell ihren Laden zu Beginn des neuen Jahrtausends von Sheffield in die Metropole London, wo man der gesamten Szene und ihren Akteuren schneller auf die Schliche kommt. Nach dem plötzlichen Tod Mitchells forcierte Beckett eine stilistische Erweiterung. Vorher war es ja ein ungeschriebenes Gesetz, dass auf Warp nur elektronische und clubtaugliche Musik veröffentlicht wird. Mit dem zweitem Standbein lebt es sich aber besser, also verpflichtete man in den letzten Jahren mehrere Rockbands. Puristen murrten über Maximo Park, Battles, Grizzly Bear, Born Ruffians und !!!, doch am Ende ist es so wie immer: Der Pragmatiker hat stets die besten Argumente. Schon das erste Warp-Jubiläum vor zehn Jahren wurde mit einer mehrteiligen Compilation gefeiert.

Name Warf) Records Gründung 19H9 in Sheffield, England Wichtigste Künstler Aphe.x Twin. Batlies, Boards OfCanada, Grizzly Bear. Maxi’mo Park. Nigbtmares On Wax, Prefuse 73. Scjuarepusber Stil Eleclrnnica. Dance.

Indie Rock Einßüsse Kraftwerk, Derrich May, Larry Heard. CoUlcut, Psychedelia, .New Ware Einflussaul ‚ Nahezu alle Musiker, die aufTaslengeräten spielen Damals gab man je eine Doppel-CD mit wichtigen Einftussgebern, Klassikern und Remixen heraus. Nun musste eine Steigerung her, und die gibt es in Form einer Box in hübscher Aufmachung und mit viel Inhalt. Der Labelkatalog wird in einem Buch mit 192 Seiten überblickartig vorgestellt. Das Hauptinteresse gilt natürlich den Musikpaketen. CHO-SEN enthält zum einen zehn Lieblingstracks von Fans und Usern einer eigens eingerichteten Website. Die Wahl fiel auf typische Warp-Acts, auf Aphex Twin, Boards Of Canada, Squarepusher und Clark, den neuen Tonterroristen des Labels. Der zweite Teil enthält Ergänzungen aus der Sicht von Beckett. Die sind deshalb sinnvoll, weil sie auch Stücke aus der frühen Partyphase des Labels berücksichtigen. In „I’m For Real“ etwa hört man, wie viel Feuer mal in Nightmares On Wax steckte. Unter dem Stichwort RECREATED remixen Warp-Künstler andere Warp-Künstler. Hier sollte man vor allem ein Ohr für das haben, was Born Ruffians und Leila samt Stimme und Instrumenten mit Tracks von Aphex Twin anstellen. EI.EMENTAL ist eine Einzel-CD mit aneinander gereihten Soundfragmenten aus dem gesamten Warp-Werk. I’N-HEARD enthält elf unveröffentlichte Tracks, die man auf drei 10-Inch-Vinylplattcn verteilt hat. Sensationell neue Erkenntnisse lassen sich daraus nicht gewinnen, aber der subaquatische Bassgroove in Plaids „Dett“ und der nach den frühen Depeche Mode klingende „Biofeedback Dub“ von Nightmares On Wax sind zwei schöne Zugaben für Fans. Abgerundet wird das Paket mit „Infinite“, einem 10-Inch-Doppel mit LoopsfürDJs. Viel Musik auf vielen Tonträgern. Wer die Aktivitäten von Warp von Anfang an genossen und schätzen gelernt hat, wird interessiert lauschen, aber nicht wirklich überrascht sein. Da sorgt das neue Album von Hudson Mohawke doch für weit mehr Aufregung. Wer Warp immer nur am Rande wahrgenommen hat oder das Label erst seit Kurzem kennt, darf dieses Paket indes als prima Einstiegsoption betrachten. Nur muss sich die sonst grundsympathische Plattenfirma schon fragen lassen, warum sie dafür einen so satten Kaufpreis verlangt. Allgemein gilt es ja als abgemacht, dass die Preise für CDs viel zu hoch angesetzt sind. In diesem Fall liegt er entschieden zu hoch. Was passiert, wenn man in Design und Verpackung mehr investiert als in die zu erwartenden Verkäufe und ihre Gewinne, kann man bei New Order erfragen. Bei denen ging das früher mal kräftig schief.