Dusty Springfield – Simply Dusty :: Pop

Dusty Springfield ist hauptsächlich mit melodramatischen Balladen über unerwiderte Gefühle und zerbrochene Beziehungen in Erinnerung geblieben. Deshalb sieht so mancher Zeitgenosse, der es eigentlich besser wissen müsste, in der I außergewöhnlichen Interpretin nichts weiter als ein Schlagersternchen. Top Ten-Zungenbrecher wie „You Don’t Have To Say You Love Me“ oder „I Just Don’t Know WhatTo Do With Myself“ verursachten in den Sixties bei zahlreichen Radio-Moderatoren Versprecher. Selbst für das Label-Logo der 7 Inch-Vinyl-Singles waren diese vor Glück und Spaß nicht gerade strotzenden Titel zu lang-doch diese hymnischen Anfangserfolge waren es, die den Grundstein legten für eine unglaubliche Karriere. Nur wenig später wechselte die britische Sängerin ins Soul-Genre, produzierte mit dem arrivierten Team um Aretha Franklin (Arif Mardin, Jerry Wexler,Tom Dowd) den Alben-Meilenstein DUSTY IN MEMPHIS sowie den Evergreen „Son Of A Preacher Man“. Die stets bis zur Unkenntlichkeit überschminkte, flamboyant gekleidete Blondine mit der Bienenstockfrisur hatte viel zu bieten, wie das 4-CD-Box-Set Simply Dusty mit 98 digital remasterten Tracks unter Beweis stellt. Zwar gab es in der vergangenen Dekade gleich mehrere Ansätze, sich dem Phänomen Springfield zu nähern. Doch keiner der gut gemeinten Versuche (z.B.: SOMETHING SPECIAL, THE ANTHOLOGY) wurden der Ikone auch nur annähernd gerecht. Erstmals gelingt es nun mit Simply Dusty, sämtliche Karriestationen der Sängerin zu beleuchten. Allein der Pfad bis zur im Jahre 1963 startenden Solokarriere ist lang und verschlungen: Vom verspielten Ragtime-Medley der noch minderjährigen Mary O’Brien (Dustys bürgerlicher Name), Anfang der Fünfziger gemeinsam mit Bruder Tom in der heimischen Garage im Londoner Stadtteil Ealing aufgezeichnet, über erste professionelle Gehversuche als Mitglied der Lana Sisters bis hin zum national erfolgreichen Intermezzo im Trio The Springfields, dauerte es knapp zehn Jahre. Intensiv beleuchtet wird auch jene Periode, in der der frisch gebackene Solostar die Songwriter-Talente der Teams Leslie Bricusse/Anthony Newley („Who Can I Turn To, When Nobody Needs Me?“), Ivor Raymonde/Mike Hawker („Stay Awhile“), Carole King/Gerry Goffin („Some Of Your Lovin“‚), Burt Bacharach/Hal David („Wishin‘ & Hopin'“, „The Look Of Love“) in Anspruch nahm. Lange vor dem großen Soul-Boom zu Beginn der Siebziger vertraute Dusty auf großorchestrierte, himmlische Oden (FROM DUSTY WITH LOVE) der Philly-Soul-Innovatoren Kenneth Gamble und Leon Huff-Grundstein maßloser Verehrung durch die weltweite Schwulengemeinde. Die frohlockte auch, als die Entertainerin nach einem Karriereeinbruch, während dessen Longplayer wie SEE ALL HER FACES (1972) oder CAMEO (1973) erschienen, mit dem ’78er Album IT BEGINS AGAIN ins Disco-Terrain vorstieß. Nach dem eher mittelmäßigen LIVING WITHOUT HER LOVE wurde es ruhig um die Diva. Die Stille endete erst mit den auf den Leib geschneiderten High-Energy-Hymnen der Pet Shop Boys. 1995 ertönte die unglaubliche Stimme zum letzten Mal in einem Tonstudio. Das Ergebnis AVERY FINE LOVE war beachtlich, sehr an den Roots von Dusty angelegt, versandete jedoch im Elektroniktaumel der Mittneunziger. Zwei Monate nach ihrem tragischen Krebstod im Alter von knapp 60 Jahren wurde der Chanteuse eine letzte Ehre zuteil: Posthum nahm man eine der größten weiblichen Stimmen des vergangenen Jahrhunderts in die Rock And Roll Hall Of Farne auf.

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