Eddie & The Hot Rods – Life on the Line
Den Hot Rods als Punks der ersten Stunde wurde im abgelaufenen Jahr oft nachgesagt, die neue Rockwelle habe sie längst überrollt. Stützen läßt sich solch eine These sicherlich auch mit Hilfe des neuen, zweiten Albums der Band – ihre Musik peitscht längst nicht so wild und roh wie die der Sex Pistols aus den Boxen, und auf ihrem eigenen Debutalbum („Teenage Depression“) hatte sie auch noch mehr Fieber in den Knochen.
Trotzdem: dies ist immer noch eine New Wave-Platte der ersten Güteklasse, vollgepfropft mit frischer Energie und mitreissendem Feeling. Darüberhinaus entpuppt sich „Life On The Line‘ als ein Album voll großartiger Popmusik – „Do Anything You Wanna Do“, in England als Single ein Top Ten-Hit, gehört sicherlich zu den besten Rocksongs der vergangenen zwölf Monate, und Stücke wie „Ignore Them“, „Quit This Town“, „Don’t Believe Your Eyes“ oder der Titelsong sind, egal ob man eher auf den Text oder eher auf die Musik achtet, auch nicht viel schlechter. Hier spiegelt sich jener Trend, der derzeit überall in der New Wave-Bewegung an Boden gewinnt: Nach dem ersten großen Ausbruch machen sich die jungen Bands daran, eine neue Popmusik in die Welt zu setzen, die genauso losgeht und genauso aufrichtig wirkt, wie all die legendären Popsongs der sechziger Jahre. Die Teens werden daher 1978 zu Tausenden und über Nacht ihre Plastikidole Marke Rollers, Kiss oder Smokie von den Wänden reißen und zu Bands wie den Hot Rods überlaufen. Und selbst wenn sich ein alter Mann wie der Herr Marquard, nach eigener Aussage ein „Freund der Rollers“ und im Hauptberuf Herausgeber der Zeitschrift „Pop“, in Leitartikeln die Finger wundschreibt, wird er daran nichts ändern können. Was wollen wir mehr?
Die guten Songs bei den Hot Rods stammen übrigens meist aus der Feder von Gitarrist Graeme Douglas und Hausautor Ed Holiis. Hier hat sich offenbar ein erstklassiges Team gefunden. Douglas, der früher bei den Kursaal Flyers war, hat noch weitere wegweisende Spuren hinterlassen: Er spielt immer wieder prächtige Soli und lockert den Sound der Rods durch instrumentale Vielfalt ungemein auf. Bestes Beispiel dafür ist wohl der Song „Don’t Believe Your Eyes“, den der Klang einer zwölfsaitigen Gitarre prägt. Und der zweite Gitarrist Dave Higgs wagt sich im letzten Stück der Platte sogar an ein Mellotron. Preisfrage: Wird hier nun die ganze Bewegung verraten? Oder ist nicht doch Toleranz das besser passende Stichwort?
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