Einstürzende Neubauten – Silence Is Sexy :: Neu gebaut
1980 verübten die Einstürzenden Neubauten Attentate auf Metall und die Cehörgänge des Publikums. „Steh auf Berlin“ 1981 bewarb den Sound von splitterndem Glas und Bohrmaschinen. Richtig nett, befand das in der Popmusik führende Ausland und kürte die Berliner Band zum Aushängeschild progressiven Teutonentums. Zum runden Geburtstag sind die Original-Recken Bargeld, Unruh und Hacke mit den beiden Neu-Neubauten Arbeit und Moser gekommen, um sich selbst noch einmal neu zu erfinden. Weil die Zeit für Ironie schon länger reif war, die Neubauten aber traditionell im kreativen Purgatorium zu schmoren bevorzugten, musste man zwei Jahrzehnte auf eine Pointe wie diese warten: Zum Finale des Titelsongs „Silence Is Sexy“, grölt ein enthemmtes Neubauten-Publikum in Mexiko City eben diese Textzeile als Schlachtruf in einem Fußballstadium. Das ist komisch. Und Komik, sagt Bargeld, ist ein Riss im Machtgefüge. Womit der Kreis zum Abfackelbetrieb der frühen Jahre geschlossen wäre. Auf diesem Doppel-Album (CD zwei enthält eine 18-minütige Vokal-Improvisation über einer Bohrmaschine, die Aluminiumstreifen anschlägt) bleibt die Band beim Tagesgeschäft Apokalypse, doch das stille Spiel von Alexander Hacke (Bass) und Rudi Moser (Perkussion) transportiert die Beobachtungen des Patienten Bargeld in ganz neue Zusammenhänge. Das Vibraphon im Eröffnungsstück „Sabrina“, das auf Samtpfoten in des Hörers Unterbewusstsein schleicht, legt Fährten in eine andere Zeit, ein anderes Land – die Aufnahmen machte Bargeld mit Nick Cave vor zehn Jahren für dessen Album „The Cood Son“. „Zampano“ – der handgespielte Techno-Track mit den Metal-Breaks – und „Newton’s Cravitätlichkeit“ gehen nicht nur hohe Tempi, sie überrunden das Gros deutscher Bands bei der Suche nach einem zeitgemäßen Klangbild. Aus Stille erhebt sich Geräuschmusik, aus den Worten ziehen sich metallene Spuren, und plötzlich ist da gar nichts, bis man stutzt, den Volume-Regler aufdreht und hört, wie das Streichholz an der Reibefläche Feuer fängt. Aus dem Gewirr von Solo-Projekten und feuilletonistisch goutierten Konzeptarbeiten haben die Mitglieder der Neubauten gemeinsam zum Zentrum der Popmusik zurückgefunden. Die Silben und Maschinengeräusche, die Melodien und Brüche, die Bilder und Risse fügen sich zu einer tönenden Ordnung wider den Stillstand und die Gewissheit. Bestes Neubauten-Album seit HAUS DER LÜGE 1989.
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