Experimentalmusik

Vom Klaus Schulze-Label Inteam kommen vier neue LP-Nachrichten: Gute Fahrt und gute Reise für Brummis und Privatlenker! Außer mit entspannten Schwellklängen und Wave-orientierten Computer-Rhythmen will das DRIVE INN-Team Rainer Bloss & Klaus Schulze auch mit den Titeln der LP (ID 20002) die Musik liefern, die „Dich relaxt an Dein Ziel bringt“. Seit „Autobahn“ von Kraftwerk neue elektronische Aspekte zum Thema Autofahren.

Der Ruhepol „Sightseeing“, der sich vom gleichförmigen Pleasure-Sound abhebt, ist ein idyllisches Synthesizer-Panorama mit Panflöten-Effekten. (4)

ANGST, das 17. Soloalbum von Klaus Schulze, der Soundtrack zum neuesten Kinowerk von Gerald Kargl, „ist das filmische Dokument einer wahren Begebenheit in Österreich, welche dort einen Justizskandal auslöste. Ein Psychogramm, das auf Sensibilität und Urinstinkt reagiert. Das Besondere dieses Films liegt darin, daß er nach der Musik geschnitten und bearbeitet wurde. Die Musik wurde nicht als modisches Beiwerk, sondern als stilprägend verarbeitet und eingesetzt“. (Cover-Text) Die treibende Horror-Motorik und die tote Atmosphäre mit ihren aschfahlen Klanggespinsten wird nur in „Memory“ von einem warmen Keyboard-Floating aufgehellt. (5)

APHRICA (ID 20001) -Rainer Bloss & Klaus Schulze in Symbiose mit dem Protagonisten des fantastischen Wiener Realismus Ernst Fuchs, der im pathetischen Rezitativ-Operngesangsstil sich mit metaphysischen Querverbindungen zwischen Erotik und Religion auseinandersetzt. Für das Cover zeichnet sich der Kunstmaler bei diesem multimedialen Experiment natürlich auch verantwortlich. (4)

Manuel Göttsching versucht auf E2-E4 (ID 20004) in mikrotonalen Minimal Art-Verschiebungen Stimmungen beim Dame-Gesellschaftsspiel nachzuzeichnen, die ein harmonisierendes, leichtes Spannungsgefälle aufbaut und viel Spielraum für die Nuancen offenläßt, die die Untertitel der Knapp 55 Minuten Spieldauer suggerieren: von ruhiger Nervosität bis Remis als Bezeichnungen des Spielverlaufs. Das statische Pulsieren von Gitarren und Elektronik wirkt in seinen Zwischentönen wohltuend aufgefächert, nie langweilig, monoton, leer, (4)

Konzertante zeitgenössische Gitarrenmusik im Spannungsfeld von jazziger und klassischer Harmonik und Rhythmik: Jan Reimer und ESCAPE FROM A FAIRY TALE (Pläne 88352): Kleinode auf der Ovation mit Eigenkompositionen und Bearbeitungen von Titeln spanischer Meister und der Jazz-Größen Keith Jarret und Miles Davis. Harmonischer Einklang zwischen der klassischen und Jazz-Harmonik bzw. Phrasierung: ein neoklassizistischer Versuch. Von F.-J. Degenhardt ist im Beiblatt zu lesen: „Sicher erreicht Reimer die Geschlossenheit einer Suite einmal dadurch, daß er sämtliche Titel, bis auf das Titelstück, in A (Dur oder Moll) bringt. Es hat aber auch damit zu tun, daß Reimer die verschiedenartigen Farben und Tönungen der verschiedenen Musikrichtungen souverän und spielerisch sowohl verschmalzt wie gegenüberstellt; daß eine Einheitlichkeit entsteht, die weder zukleistert noch das Unterschiedliche beziehungslos gegeneinander stehen läßt.“ (4)

Aus der Aura klassisch-romantischer Stimmungsbilder und dem brasilianisch-feurigen Flair bezieht das Gitarrenduo Lori Lorenzen & Ottmar Nagel seine Inspiration für sechs quasi-klassische Momente, unterstützt von Ulli Winz (Baß), Peter Eisheuer (vibes) und Bernhard Große-Schware (French Hörn) auf der technisch und künstlerisch profilierten zweiten LP ALVORADA. Das Beiheft enthält neben Angaben zu Musikern und Produktionsteam auch Notenauszüge und blumige Interpretationen zu den Titeln. (Lorenzen & Nagel, c/o Sigrid Märten, Odenkirchenerstr. 4, 4053 Jüchen 1; Tel 02165/2586). (4)

Die Matthäus-Passion von J.S. Bach dient dem Keyboarder und Produzenten Tom Parker als Vorlage für eine vollschlanke Gospel-Matinee ohne die typischen Klassik-Rock-Ballaststoffe in der Besetzung für vier Solostimmen mit Spiritual-Kehle, Chor (The New London Chorale), Sprecher, Solo-Flöte und -Oboe, Streicher und als Rock-Rhythmus-Section Schlagzeug, Baß, Gitarren und Percussion: THE JOUNG MATTHEW PASSION (RCAPL70321).(4)

Aus der Jazz-Rock-Ecke: Die vier Männer um Munju, verstärkt durch Michel Berkmans (Oboe, Fagott), stellen auf der vierten LP LE PER-FECTIONNISTE die experimentelle Effektarbeit an den Zusatzgeräten in den Vordergrund und unterlegen die Gitarren und Synthesizer-Cluster mit einem vielschichtigen, atmosphärischen Percussion-Klangteppich. (EFA 08′-5502) (5)