Fehlfarben – Monarchie Und Alltag

„… graue B Film Helden regieren bald die Welt…“ – Ob der graue B Film-Held wirklich eine Chance bekommt, die Welt zu regieren, weiß ich erst morgen. Aber heute ist Redaktionsschluß und so bleibt diese Zeile aus dem Fehlfarben-Song „Ein Jahr (es geht voran)“ für heute noch hypothetisch. Ebenso wie die Vermutung, wieschnell sich die zweite Hälfte des Himmels („Hier und jetzt“) zu einem Ganzen ausbreiten und der „Grauschleier“ noch penetranter werden mag, wenn der alte Cowboy drüben wirklich das große Lasso schwingen sollte. (Er schwingt es!!) Wenn Ihr irgendwo schon gehört oder gelesen habt, daß Fehlfarben derzeit die besten deutschen Texte liefern, so könnt Ihr das getrost glauben. Der Hauprimpuls dürfte dabei von Sänger Peter Hein ausgehen. Fehlfarben verfügen derzeit auch über den buntesten Stammbaum der neuen deutschen Szene; die Wurzeln reichen hinab zu den allerersten S.Y.P.H.-Tagen, zu Mittagspause und Materialschlacht, DAF und über Frank Fenstermacher (sax, g) gibt es darüberhinaus noch eine Querverbindung zum Plan.

Die Fehlfarben spielen so, wie man einfach spielen muß, wenn man aus den Pogo-Windeln raus ist, die Anfänge noch nicht verleugnen will, inzwischen aber offen für vielerlei Einflüsse ist. Die Punk-Vergangenheit und der kurze Ska-Ausflug (auf der Single „Industriemädchen“) sind im schnellen Rhythmus dokumentiert. Gitarrist Thomas Schwebel demonstriert geschickt, wie man mit wenig Aufwand wirkungsvolle Effekte erzielt und es sind nicht nur die gelegentlichen Saxophon-Einschübe, die der eigentlich sparsamen Fehlfarben-Musik eine erstaunliche Atmosphäre verleihen. Peter Heins Gesang ist schnell, direkt, aber nicht schroff. Das entspricht den Texten, die sich nicht an der Oberfläche griffiger Phrasen bewegen, sondern die persönliche Empfindung mitverarbeiten. Dabei finden sich auf einer einzigen LP so viele gute Zeilen, wie sonst kaum über mehrere verteilt sind:

„Wenn die Wirklichkeit dich überholt, hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol.“ („Gottseidank nicht in England“) – „Ich fürchte nicht um mein Leben, ich habe nur Angst vor dem Schmerz“ („Apokalypse/Ernstfall“) oder Jch habe dich nötig doch will dich nicht benützen „aus „All That Heaven Allows“ – fast ein Liebeslied übrigens; eine Mutprobe!