Funk/Soul
Einlaß ins Oberhaus der neuen Soul-Croonerschaft begehrt Willie Collins mit WHERE YOU GONNA BE TONIGHT (Capitol ST-12442/ASD), eine prächtig ausbalancierte Midtempo/ Slow-Affäre, in Stimmung, Anlage und Qualität durchaus vergleichbar mit Freddie Jacksons ROCK ME TONITE-Set. Collins weiß um die Kunst der Verzögerung, er ist ein Meister der kleinen Schritte. Sanft und noch etwas unsicher tastet sich seine Stimme in die Songs hinein, kostet dann genüßlich die Zwischentöne aus, und läßt sich schließlich aufgelöst davontragen, ohne allerdings je wirklich die Beherrschung zu verlieren.
Einzelne Tracks hervorzuheben fällt wegen der Ausgewogenheit des Materials wirklich schwer, vielleicht „Sticky Situation“, das akzeptabel ein Rock-Riff integriert, oder die fiebrige Prä-Schlafzimmer-Episode „Let’s Get Started“, die es ohne weiteres mit Marvin Gayes besten Arbeiten in dieser Richtung aufnehmen kann. Soul so, wie er schon immer am Schönsten war — als klassische Vokalkunst. (5)
Gestern noch solid as a rock, heute eher ein laues Lüftchen. Einem der kreativsten Songschreiberteams der letzten beiden Dekaden scheint allmählich das zündfähige Pulver auszugehen: Das singende Musterehepaar Nicholas Ashford & Valarie Simpson schmachtet sich auf REAL LOVE (Capitol 240593-1) durch eine schon fast beängstigend belanglose Songkollektion. Selbst wer ihren innigen Duetten grundsätzlich wohlgesonnen ist, wird diesen weichgespülten Schmus kaum goutieren können. Einzig „Nobody Walks in L.A.“, mit einem Mundharmonikagastspiel von Stevie Wonder und mit Abstrichen „Count Your Blessings“ erreichen höheres Niveau, können das Album insgesamt aber auch nicht mehr retten (2)
Den Lobeshymnen, die derzeit auf James Ingram und sein zweites Album NEVER FELT SO GOOD (WEA 925424-1) angestimmt werden, vermag ich mich nicht voll anzuschließen. Zu eng und stereotyp geschnürt scheint mir das Dancefloor-Korsett, das Produzent Keith Diamond dem einstigen Quincy Jones-Schützling überstreift und mit „Red Hot Lover“ seinen rockenden Tiefpunkt erreicht. Hinzu kommt, daß lngrams Vokal-Passion mitunter arg inszeniert rüberkommt. Welche Tracks rechtfertigen dennoch eine knappe (4)?
„Tuff“, eine witzige Momentaufnahme mit Sessioncharakter, die fragile Ballade „The Wings Of My Heart“, das lockere, von Ingram selbst produzierte „Say Hey“ und schließlich der Titelsong, eindeutig Diamonds bester Dancer.
Da kann nicht viel schiefgehen: Shirley Jones engagierte für die „Romancing“-Seite ihres ALWAYS IN THE MOOD-Sets (Philadelphia Int. ST 53031/ASD) die erste Garde der Philly-Producer-Szene (Gamble & Huff, Bunny Sigler, Dexter Wansel) und wird mit einer geschmackssicher aufbereiteten Balladensammlung belohnt, die ihrem glockenhellen Organ genügend Auslaufmöglichkeiten bietet und sie sogar zu laszivem Bettkanten-Smalltalk animiert. Höhepunkt: „Breaking Up“.
Die „Dancing“-Rückseite, zusammengehalten durch eine konzertierte Aktion aus kegelnden Moog-Bässen und hochgeturnten Drum-Beats, fällt demgegenüber etwas ab. Hier heißt das fidele Highlight „CAUGHT ME WITH MY GUARD DOWN“. Macht unter dem Schlußstrich eine glatte (4).
Viel Zeit für musikalische Zweisamkeit(en) hat Jaki Graham auf ihrem zweiten Album BREAKING AWAY (EMI). Gleich zweimal duettiert sie sich mit Producer Derek Bramble (nett: das schmusige „Lets Get Blue“), und natürlich darf auch „Mated“, ihre aktuelle Kooperation mit Standardpartner David Grant, nicht fehlen.
Bramble macht wieder den Fehler, seine Klientin überwiegend mit aufgemotzten Up-Tempo-Tracks zu versorgen, bei denen Jakis im Grunde unerhebliche Stimme doch ziemlich verloren wirkt. Den runden Pop-Soul des Titelsongs verkraftet das zarte Organ wesentlich besser und läuft im verträumten „Love under Moonlight“ sogar zur Hochform auf — leider eine Ausnahme. (3)
Wem der Begriff „Songbird“ noch kein Begriff ist. sollte sich anhören, wie Deniece Williams ihre reichlich vier Oktaven in der leicht gospelgetönten Ballade“.Healing“ behauptet — schöner zwitschert kaum eine. Das Restprogramm von HOT ON THE TRA1L (CBS 26690) vermag da nicht ganz aufzuschließen. „Niecy“ hat ihren Stammproducer George Duke seines Postens enthoben — und Nachfolger Greg Mattison mischt einen streckenweise doch arg blassen Synth-Funk-Cocktail an. Wer Deniece noch einmal mit passendem Backing erleben will, wird auf den hübschen“.Let’s Hear It For The Boy“-Zweitaufguß „He Loves Me. He Loves Me Not“ und die flotte Off-Beat-Variante „Straight From The Heart“ verwiesen. Knapp (4)
Als nieten- und netzversessener Guitar-Macho im Swimming-pool kommt Clayton Savage auf dem Cover seines komplett in Eigenregie erstellten Debüt-Werks (Manhatten ST 53022/ ASD) daher. Den Mann plagen eindeutig Identitätsprobleme: Er kann sich nicht entscheiden, ob er Rick James („With A Girl Like You“), Prince („Virgin Lover“), eine männliche Madonna („Palm Of Her Hand“) sein will — oder lieber gleich zum weißgewaschenen Mainstream-Rock („He Can’t Love You“) konvertieren soll.
Auf der B-Seite wird der Enischeidungsprozeß nur unwesentlich beschleunigt, aber immerhin springt mit „1 Will Come Down“ eine passable Ballade heraus. Für alle, denen schon die angedrohten „explicit lyrics“ Plaisir genug sind: (2)
Während in fortschrittlich orientierten Übungskellern eifrigst der Hip-Hop/Heavy Metal eingekracht wird, bewegen sich die Boogie Boys mit SURVIVAL OF THE FRESHEST (Capitol ST-12438/ASD) immer noch auf traditionellem (falls dieses Wort hier überhaupt schon paßt) Beat-Box-Terrain und fördern dabei durchaus unterhaltsame Ergebnisse zutage. Der Beat kommt strong’n steady, die Effekte-Küche wird gut aus- und selten überreizt, und ihr Rap zwischen Street-Cred, Anti-Racism und Adoleszenz-Protzerei zwingt nicht zum Weghören. Am besten sind „Boogie Knight“ Stroman und seine beiden Assistenten, wenn die Songs auf wenige Grundmuster reduziert bleiben („Girl Talk“, „Run It“) und in der rührenden Teenie-Beat-Box-Ballade „Share My World“. (4)
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