Greenslade – Time And Tide

Der Job eines Plattenkritikers macht Spaß – mir jedenfalls. Man hört sich eine neue LP mehrmals an (mindestens dreimal habe ich mir als Limit gesetzt und bisher immer gehalten) und schreibt dann seine zwangsläufig subjektive Meinung nieder. Und dafür kriegt man auch noch Geld. Aber dann kommt einem eine LP wie „Time And Tide“ in die Finger bzw. in die Ohren, und schon ist alles über den Haufen geworfen. Diese Platte dreimal anzuhören, war die reine Quälerei, und daran gemessen bin ich in diesem Fall eindeutig unterbezahlt. Greenslade liegen nämlich mit ihrem an sich vielversprechenden Konzept einer „Keyboards-betonten“, klassische Strukturen integrierenden Band so total daneben wie nur irgend möglich. Weder der Gesang noch die Arrangements noch die Soli noch die Texte noch der läppische Sound können auch nur annähernd überzeugen, und wenn einer dieser überheblichen Klassik-Fans behauptet, Rockmusiker könnten klassische Motive nicht sinnvoll verarbeiten – angesichts Greenslade muß man da voll zustimmen. Im ‚Duden‘ gibt’s ein Fremdwort für solche Angelegenheiten: prätentiös, also anmaßend, und das ist noch milde umschrieben. Manchmal macht der Job eines Plattenkritikers keinen Spaß, und da es im Musik Express die Bewertung „kein Stern“ noch nicht gibt, muß ich leider einen geben. Schade um den Stern, man hätte ihn besser verwenden können. l Hilfs-Stern.