Grenzmusik
BLEIB IM HERZEN JUNG (Teldec) von Ernst Mosch und den Original Straßenmusikanten (ich wiederhole: Original) ist eine Beleidigung für jeden Künstler, der sein Brot auf der Straße verdienen muß. Pfui! Auf der alternativ-grünen Welle starten der Egerländer und seine Musiker ihren Nostalgie-Trip nun in der Fußgängerzone. (1) Ermutigend für Folkies und Liedermacher, die sich von den öffentlichen Plätzen ins Privatlehen zurückgezogen haben, klingt MUTTER ERDE (trikont). Klaus der Geiger, stadtbekanntes Kölner Original, macht samt seinen Landfriedensbrecher wieder mobil. HiFi-Genießer rümpfen die Nase. Aber die Fans vom geigenden Klaus und andere Stammhörer des Kölner Polizeifunks sind anspruchsloser und dankbar für eine Klangqualität, die weit über dem Niveau ihres Lieblingssenders liegt. Gespannt wartet man auf die traditionelle Tour durch die Kölner Innenstadt, mit der Klaus auch diese LP promoten wird — wenn der Mai gekommen ist und nicht nur die Bäume ausschlagen. Ohne den polizeilichen Ermittlungen (Ruhestörung, Erregung öffentlichen Ärgernisses. Verkehrsbehinderung) vorgreifen zu wollen, lautet mein Urteil: (3)“
Statt im innerstädtischen Bereich bewegen sich die Musiker des New Age-Produzenten Ulrich Rützelin kosmischen Regionen. Aber ihre LPs schielen nicht nur nach dem lukrativen SynthiPop-Markt. Neues Beispiel: METRONOM1CS (Erdenklang/IRS) von Kristian Schultze. Der Keyboarder läßt sein Computer-Instrumentarium nicht selbstgefällig vor sich hinplätschern. Die Arrangements zeigen die Handschrift des zupackenden Jazzers. Also ungeeignet für Leute, die bei elektronischen Klängen Ruhe und Entspannung suchen. (5) Das „Biber-Label des Musikverlegers. Produzenten. Gitarristen und Komponisten Friedemann Witecka wird nach Abebben der NewAgeWoge auch weiterhin oben schwimmen. Den Beweis liefert der Sampler WINDS OF CHANGE (LP: plane, CD: inak). Für die A-Seite wurde Einschmeichelndes zusammengestellt, wovon Friedemanns „Indian Summer“ bereits zum audiophilen Referenz-Repertoire gehört. Als Kontrast zu diesen „Soft Winds“ blasen auf der B-Seite folkloristische „Fast Winds“. (4) Zwei Seiten hat auch CLOSE CO-VER (WindhamHill/A&M). Vorne führt Pianist Wim Mertens einen Richard-Clayderschrank mit Philip-Glass-Türen vor (2): auf der B-Seite versöhnt er 18 Minuten lang mit solistischem Melodienreigen. (4) Eine LP-Seite benötigt Saxophonist Jan Garbarek, ehe er sich im elektronischen Gestrüpp ALL THOSE BORN WITH W1NGS (ECM) zurechtfindet. Aber dann tragen seine Jazz-Wurzeln reichlich Früchte. (5) Liebe Ina Deter! Dafür, daß Dein LIVE-ALBUM (Mercury) nicht sofort abheben will, entschuldigst Du Dich mit „Frauen kommen langsam — aber gewaltig“. Aber „ob blond, ob braun, ob Henna“ — Du gibst „nur Liebe und sonst gar nichts“. „Beinah wäre es fast passiert“, daß Deine Doppel-LP „keine Gnade“ vor meinen Ohren gefunden hätte. Doch dann kommt Edo Zanki auf die Bühne und „Du hast ’ne Ladung Dynamit“. Aber „wenn Du so bist wie Dein Lachen“, dann: (2) Hör Dir mal die Linda Sharrock an. Ihre PAT BROTHERS (Moers Music) kommen sofort zur Sache und wirbeln einen stilistischen Kramladen voller Blues, Funk, Soul und Gospel durcheinander. Einziger Kritikpunkt: Bei der Abmischung hätte man die NewJazz-Sängerin mit der riesigen Stimme etwas mehr in den Vordergrund rücken sollen. (5) Auf DARK (CMP) spielt Catherine Guard eine ähnliche Nebenrolle. Zu Ethno-Rhythmen und Elektronik-Effekten darf sie ihre Stimme klangmalerisch einsetzen. Trotzdem: (5) Lauter Hauptdarsteller sind aber zu hören auf dem Sampler ISLAND OF SANITY (Recommended). Untertitel: „New Music from New York City“. Die Doppel-LP ist prallgefüllt mit unveröffentlichtem Material von The Ordinaires, Skeleton Crew, John Zorn, David Garland, Elliott Sharp, usw., usw. (6) Eher eine unterkühlte Londoner Club-Atmosphäre verbreitet der Sampler JAZZ DANCE (Atlantis/Charly) mit Aufnahmen von Nina Simone („My Baby Just Cares For Me“), Roland Kirk und Art Blakey. (6)
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