Hal – Hal
Fragt man Medizinhistoriker, so ist Nostalgie von ihrem Ursprung her negativ besetzt. War mal eine richtig ernstgenommene Krankheit. Der Basler Arzt und Humanist Johannes Hofer hat das Kunstwort im Jahre 1678 geprägt. Aus dem griechischen Worten für Heimkehr und Schmerz zusammengefügt, beschrieb er mit dem Begriff ein psychophysisches Krankheitsbild, das man lange Zeit als eine typisch schweizerische Krankheit ansah, weil die Eidgenossen als Söldner in ganz Europa verstreut waren. Würde Hofer heute leben, würde er vielleicht von der „irischen Krankheit“ sprechen. Denn nach den vom Heimweh nach der (nie gesehenen) amerikanischen Westküste trunkenen The Thrills jetzt ein ähnlich gelagerter Fall: das Debüt von Hal. Und auch da harmoniegesangelt, pedalsteelt und wärmelt es organisch, daß sich jede alte Wurlitzer-Jukebox freuen würde. Aber heute ist das ja kein medizinisches, geschweige denn musikalisches Problem mehr. Ist doch schön, wenn sich junge Menschen mit dem ganzen Herzen klassischem Songwriting-Pop verschreiben. Wenn man mal den Namen Carole King neben den omniplattenkritikpräsenten Beach Boys als Referenz angeben kann. Wenn Hal an etwas kränkelt, dann vielleicht an einer schwachen Form der Schizophrenie. Sind das die gleichen vier Iren, die zu Beginn des Albums mit Superhits wie „Play The Hits“ (mehr Monkees-Quengel-Pop als Supergrass!) und „Keep Love As Your Golden Rule“ (mehr Erntesehnsucht als Neil Young!) aufwarten, um dann knapp nach der Hälfte ihre B-Seiten (Ausnahme: die bereits aus dem letzten Jahr bekannte Single „Worry About The Wind“) zu präsentieren? Nun, sind es wohl. Leider. Diagnose: Zu wenig richtig gute Songs, aber Patient ist sicher mit dem nächsten Album auf dem Weg der Besserung.
www.halmusic.com
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