Half Girl

All Tomorrow’s Monster

Siluh Records/Cargo

Eine All-Star-Band für Nerds emanzipiert Schweinerock. Feine wie ungestüme Penis-Gitarren ohne Penis von der deutsch-österreichischen Freundschaft.

Indie-Memory als Wahl/Pflichtfach. Bei Half Girl handelt es sich dahingehend um die ultimative Supergroup: Mit dem nötigen Know-how kann man ihre Mitglieder Mutter, Britta, Die Heiterkeit, Luise Pop, Mondo Fumatore oder der Jens-Friebe-Band zuordnen. Teilweise sind sie dort noch aktiv, teilweise nicht mehr. Erstmals größere Aufmerksamkeit erreichte ihr gemeinsames Projekt Half Girl mit dem von Jörg Buttgereit („Nekromantik“, „Captain Berlin“, „Captain Berlin 2: Hitlers Homunkulus greift an!“) gedrehten Videoclip „Lemmy, I’m A Feminist“.

Das Stück findet sich nun auch auf ihrem Debütalbum All Tomorrow’s Monsters und darin ist bereits viel von dem angelegt, was den Reiz der Gruppe ausmacht: Statt die Vorliebe für testosteronigen Rock hintenanzustellen und sich Genres und Figuren zu widmen, denen man gemeinhin mehr emanzipatorisches Potenzial unterstellt, nehmen Half Girl sich das Recht, das ganze Inventar umzudeuten. Musikerinnen müssen sich selbst ohnehin immer damit rumschlagen, als Projektionsflächen für alles und jeden zu dienen. Warum also nicht mal Lemmy aus dem langen Schatten seiner Warze ziehen und in ein anderes Licht rücken? Oder gar Schweinerock selbst?

Half Girl teufeln dabei einen krachigen Sound zusammen, der sehr rau, sehr nach Garage klingt. Die Band oszilliert räumlich zwischen Wien und Berlin genauso wie musikalisch zwischen Explosion und Schönklang. In all dem ener­getischen Rock’n’Rumpel verliert sie aber nie das Storytelling aus den Augen, zum Beispiel erfährt man von Sängerin Julie Miess’ Vorliebe für Horror und ihrem (kein Scheiß) Donald-Tattoo. Was für ein buntes Treiben, was für smarte Stücke und vor allem: Was für eine gute Rock-Platte.