INXS: Bonn, Museumsplatz :: Mythos revisited

„Mystify Me“, hatte Michael Hutchence einmal gesungen – ein Stück, das davon handelt, wie Leidenschaft aus Liebe Mystik werden lässt. Der Tod sorgte seinerseits dafür, dass aus Hutchence ein Mythos wurde; damals, als der Sänger im November 1997 tot in einem Hotelzimmer in Sydney aufgefunden wurde. Nackt erhängt, mit einem Ledergürtel an der Türklinke. Man wusste nicht: War es Freitod oder ein misslungenes bizarres Sexspiel? Es war, als sollte ihn das Geheimnis des stets auf der Kippe stehenden Pop-Stars überleben.

„Mystify Me“ singt ein sehr netter australischer Bursche namens Jon Stevens in Bonn auf dem Platz neben der Bundeskunsthalle. Er klingt wie Hutchence und sieht auch ein bisschen so aus, wenn eine große rot getönte-Sonnenbrille sein grob geschnittenes Gesicht verbirgt. Wenn man genauer hinsieht, bemerkt man einen Oberkörper, der einen Tick zu muskulös ist. Arme, die anfeuernd durch die Luft segeln, aber nicht mit der lässigen Eleganz des Verstorbenen. Stevens ist eben nicht Hutchence, sondern nur eine gute Kopie. Und die knapp 1000, die sich auf dem Bonner Museumsplatz versammelt haben, sind nicht das Stadionpublikum von einst. Sie geben sich lauthals jubelnd der Illusion hin, dass der Tod 1997 eine der erfolgreichsten Rockbands Australiens nicht unwiderruflich zerstört habe. Fast alle INXS-Hits sind zu hören – „New Sensation“ am Anfang, „Need You Tonight“, „Never Tear Us Apart“, „Devil Inside“ mittendrin, „Suicide Blonde“ im Zugabenteil.

Und doch kann es für die Band nie wieder so werden wie früher. Der Auftritt der Gruppe ist der erste und einzige in Deutschland seit Hutchence‘ Tod; vorher spielte sie bei freiem Eintritt auf einem Festival in Irland. Vorbei, die alte Herrlichkeit.Dabei sahen die Comeback-Bemühungen anfangs gut aus. Vor 90.000 Menschen sollten INXS 1999 das neue Olympiastadion in Sydney eröffnen. Angeblich hatten sich damals Bono Tom Jones angeboten, Hutchen- . ce zu ersetzen. Die Band entschied sich aber dann für die ehemalige Soul-Größe Terence Trent D’Arby. Die Zusammenarbeit währte nicht lang: Beim Abschluss der Olympiade ein Jahr drauf stand Jon Stevens am Mikro. Und dessen täuschende Ähnlichkeit im Stimmlichen ist vielleicht sein größter Fehler. Denn Hutchence ist tot. Was übrig bleibt, ist Mystifizierung.

www.inxs.com