Jackie Brown :: Zielsicher
Von PULP FICTION zu einem echten Stück Pulp Fiction: Dreieinhalb Jahre, nachdem Quentin Tarantino mit seinem galligen Triptychon über die Crime Society von Los Angeles Popgeschichte schrieb, meldet sich der größte Regiestar seit Steven Spielberg zurück. Und zwar mit einer Verfilmung von Elmore Leonards Krimi „Rum Punch“ aus dem Jahr 1992, der entspannten Geschichte der alternden Stewardess Jackie, die sich als Geld- und Drogenschmugglerin für den skrupellosen Waffenhändler Ordell Robie die zum Überleben nötigen Dollars nebenher verdient. Als sie vom FBI geschnappt wird, heckt sie einen raffinierten Plan aus, Ordell ans Messer zu liefern, das Geld für sich zu behalten und unversehrt aus dem Schlamassel herauszukommen. Nie hat Tarantino einen Hehl aus seiner Verehrung für den 72jährigen Leonard gemacht. Entsprechend tief verbeugt er sich vor seinem Lehrmeister in Sachen hartgesottene Bubenstücke: Zwar hat er die Handlung von Flordia in die weniger feinen Viertel von L.A. verlegt und aus der weißen Titelheldin eine Schwarze gemacht, darüber hinaus hält Tarantino sich aber fast sklavisch an die Vorlage. Etwa drei Viertel der Dialoge findet man wortwörtlich in Leonards Roman. Nur wenn Drahtzieher Ordell, von Samuel L. Jackson brillant gespielt, die Bühne betritt, dann gibt Tarantino himself Vollgas, dann blitzen messerscharf die verbalen Breitseiten voller popkultureller Referenzen auf, die PULP FICTION und RESERVOIR DOGS zu den meistzitierten Filmen des Jahrzehnts gemacht haben. JACKIE BROWN ist auch eine liebevolle Hommage an die Blaxploitation- und Tough-Guy-Movies der siebziger Jahre, eine Liebeserklärung an ihre unkomplizierten Helden, die Waffen und Fäuste lauter sprechen ließen als ihre Worte. Fasziniert saugt sich Tarantino an den müden, abgespannten Gesichtern von Pam Grier, der einstigen stolzen Heroin der Ghettoknüller „Foxy Brown“ und „Coffy“ und des verdienten Gangsterfilm-Recken Robert Forster fest: Nach 25 Jahren Dienst als Randfiguren in vorderster B-Film-Front haben sich diese, wie ihre Figuren im Film, endlich Frieden verdient. Und Tarantino schenkt ihnen eine zärtliche Liebesgeschichte, deren Happy End hier nur eine scheinbar simple Geldübergabe im Weg steht. Nur schwer kann sich Tarantino von seinen Darstellern losreißen.Trotzdem rechtfertigt seine Begeisterung kaum die exzessive Laufzeit des Films von 150 Minuten, diese Geschichte hätte man auch griffiger erzählen können. So überzeugen zwar die Einzelteile von JACKIE BROWN – der brillante Einsatz der Musik, die satten Auftritte der Stars (besonders gut: Robert De Niro als tickende Zeitbombe und Bridget Fonda als kiffendes Beach-Babe) – aber in der Summe fehlt dieser nur als Krimi getarnten Charakterstudie übers (Aarrgh!) Altwerden jene Erwachsenheit, die ihre zwei Helden in jeder noch so kleinen Geste überzeugend rüberbringen.
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