James Blood Ulmer – Freelancing

James Bloods dritte Nachhilfestunde in Sachen Harmolodik. Wenn er selbst nicht unermüdlich auf dieses Zauberwort hinweisen würde – ich glaube, man täte sich schwer, diese Spielweise immer neu zu registrieren. Ornette Coleman hat einst vorexerziert, was es bedeutet, wenn ein Instrument mit der von der Rhythmusgruppe vorgelegten Melodie nicht konform geht, allen Gesetzen westlicher Harmonielehre widersprechend mit geradezu provozierender Atonalität aus der Reihe tanzt. Blood nuanciert und verfeinert dieses harmonische ABC, tastet sich mit der Überschallgeschwindigkeit eines Computers, der Lochkartenfelder entlangsprintet, über das Griffbrett seiner Gitarre. Es bleibt keine Zeit um Luft zu holen, Bloods Gitarren-Kabinettstückchen perlen in Kaskaden über die – natürlich konträre -Grundmelodie, die Töne purzeln übereinander, und zwar dermaßen exakt und vielfältig, daß es einem schwindlig werden kann. Mit Leichtigkeit erreicht er einen Schwierigkeitsgrad, vor dem McLaughlin und Corwell auch in ihren besten Tagen kapituliert hätten.

Und oder gerade deswegen droht Blood gelegentlich in die archetypischen Fallgruben des Genres zu stolpern. Et verschwendet heuer wenig Zeit auf sein Songmaterial und verläßt sich lieber auf zentrifugale Solo-Demonstrationen. Vor allem, wenn er sein Trio mit Bläsern und zweiter Gitarre aufstockt, entbrennen egoistische Kopf-an-Kopf-Wettrennen, alles spielt total free aneinander vorbei, bis der Meister persönlich in die Bush-//oureingreift und nicht eher ruht, bis er jedem einzelnen Instrument um Längen davongeeilt ist. Puh …

In Dreierbesetzung ist und bleibt Blood am effektivsten, wenn sich nämlich Amin Cali und Calvin Weston auf einen, bis aufs G erippe entkleideten Minimal-Funk beschränken, der stoßweise und mit Tempo 180 voranpoltert und den Blood nicht gleich an die nächste Wand spielt, sondern dirigiert und ergänzt.