Joni Mitchell – Hejira

„Emotions And Abstractions – der Begriff stammt aus dem „Song For Sharon“, dem längsten Track auf „Hejira“ – könnte als Leitmotiv für Joni’s Song-Poeme der jüngsten Zeit gelten. Schon auf „The Hissing Of Summer Lawns“, der preisgekrönten LP des vergangenen Frühjahrs, warf sie ihrem im Grunde von Gefühl überquellenden Songs ein wenig variierendes, aber dennoch feinnerviges musikalisches Arrangement wie eine Trankappe über. Noch auf „Court And Spark“, der vorletzten Studio-LP der einstigen Folk-Heroine, durften Tom Scott und der L.A. Express mit saftigen Jazz-Rock-Passagen brillieren. Von Jonis Gitarre unauffällig dirigiert ( und von ihr selbst am Mischpult gesteuert), kommt die musikalische Potenz dieser Leute auf „Hejira“ nur noch gedämpft zum Tragen. Stattdessen herrschen coole Nightclub-Einflüsse vor. Benny Goodmans „Swing“ der 40er Jahre ( er wird im Titeltrack „Hejira“ auch namentlich erwähnt) wird von Abe Most’s Klarinette melancholisch nachinterpretiert.

Wie ein zartfarbiger Prospekt wirkt dieser musikalische Background, vor dem Joni ihre merkwürdigen Gestalten wie „Furry“, den alten verkrüppelten Bluessänger ( „Furry Sings The Blues“ mit Neil Young als Gast), oder einen Typen, aus dem auch „Krieg und Marine keinen Mann machen konnten“ („A Strange Boy“) und nicht zuletzt immer wieder sich selbst auftreten läßt. Bei ihrer bemerkenswerten Erzähltechnik, mit der sie, manchmal nur durch verzwickte Bilder lose verbunden, mehrere Themen in einem Song abhandelt, wird auch für den mit der englischen Sprache vertrauten Zuhörer der Blick ins Wörterbuch erforderlich. Manches bleibt dennoch fragmentarisch, zu privat und daher unverständlich. Immer wieder tauchen aber die von anderen Alben bekannten Motive wie Flugzeuge.Taxis,Züge,Motelzimmer auf:Symbole der Frustration und der Unrast.Gut dazu paßt auch der Plattentitel: „Hejira“ ist arabisch und heißt „Flucht“.