Nach der Elektrohouse-Platte jetzt von David Sitek produzierter Classic Soul.

Kelis hatte, aus musikalischer Sicht betrachtet, bislang ein einfaches, aber schwerwiegendes Problem: allein bekannt zu sein für eine Handvoll Supersingles („Caught Out There“! „Trick Me“!! „Milkshake“!!!), ohne dass sie mit ihren beinahe durchweg guten Alben lauten Applaus bekommen oder viel Erfolg erzielt hätte. Was, mit etwas Abstand betrachtet, kaum verwunderlich war. Bis zu ihrer aktuellen, nunmehr sechsten Platte, FOOD, arbeitete die New Yorkerin fast ausschließlich mit Singles-Produzenten.

Ohrwurm-Schnitzer, die für Hits stehen, Riesenhits sogar, viel mehr aber nicht: The Neptunes, David Guetta, will.i.am, Dr. Luke, Max Martin, um nur einige zu nennen, mit denen Kelis in der Vergangenheit ihre Platten aufgenommen hat. Wer von diesen Dreieinhalbminuten- Toreros ernsthaft ein rundes Album erwartet, das dem künstlerischen Stellenwert dauerhaft Gravitas verleiht, hofft in seiner Gutgläubigkeit wahrscheinlich auch weiterhin noch auf ein neues Soloalbum von Dr. Dre.

Insofern ist der Schritt, sich für FOOD mit David Sitek von TV On The Radio einen ausgewiesenen Albumproduzenten zu suchen, der keine Einheitshits bastelt, sondern einen Sound für seine Künstler schafft, ganz entscheidend. Dass Kelis’ Stimme über genug Persönlichkeit verfügt, um sich an HipHop, R’n’B und zuletzt Elektrohouse auszuprobieren, konnte man über die Jahre heraushören. Sitek, der jüngst Beady Eye und die Yeah Yeah Yeahs produzierte, hat jetzt die eigentlich naheliegende Verbindungslinie zwischen Kelis’ rauchigem Timbre und Classic Soul (mit viel Funkbläsern) gezogen.

Hochgetunte Mark-Ronson-Fans brauchen sich nicht die Hände zu reiben, es geht entspannt zu, intim, sinnlich. Referenzgröße ist hier vielmehr der Flow einer Erykah Badu. Dabei kommt Kelis ganz ohne Retroschlapphut aus; frischer als beim Call-and-response-Einwurf auf „Friday Fish Fry“ kann man sich als Soulsängerin grad nicht anhören. Und so funktioniert das oft sehr, sehr gut, wie auf dem schleppenden Trauermarsch „Rumble“ oder dem Vorab-Hit „Jerk Ribs“, mal klingt es ein bisschen weniger elegant, wenn Produzent Sitek den Gesang der inzwischen als Köchin ausgebildeten Kelis gegen Mariachi-Fanfaren („Change“) antreten lässt – hält aber auf Gesamtlänge der Platte das gleich hohe Niveau.