Interview

Ashnikko: „Mit TikTok erreiche ich meine Fans auf spielerische Art“


Die in London lebende amerikanische Newcomerin Ashnikko ist durch die App TikTok bekannt geworden. Ein Gespräch über Potenzial und Hype der App.

Die neue große Kraft im Pop-Game heißt TikTok. Welche Songs zu Hits werden, das entschied in einem Jahr ohne Live-Musik mehr denn je die Generation Z mit ihren Tanzvideos aus der Heimquarantäne. Die in London lebende amerikanische Newcomerin Ashnikko ist durch die App bekannt geworden. Mehrere Singles gingen dort viral: mehr als 2,3 Millionen Clips wurden zu „Stupid“ geteilt. Ein Gespräch über Potenzial und Hype der App.

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Als „Stupid“ bei TikTok durch die Decke ging, hat sich der Kreis deiner Hörer*innen innerhalb kürzester Zeit beträchtlich vergrößert. War das Fluch oder Segen?

Das hängt von dem Tag ab, an dem du mich das fragst. So eine Reichweitenexplosion ist natürlich schön, weil ich will, dass viele Menschen meine Musik hören. Aber ich habe hart gearbeitet und mache das auch schon eine Weile – das wird in so einem Strudel dann gerne übersehen. Ich versuche also, das Positive daran zu sehen und den Hass und das Übergriffige auszublenden, das man als Frau mit Reichweite im Social-Media-Game ja auch abbekommt.

Wünschst du dir manchmal eine Welt zurück, in der man „nur“ Alben aufnehmen, ein paar Interviews geben und auf Tour gehen musste?

Hach ja, in den 70ern gelebt zu haben, wo man noch nicht permanent Content produzieren und verfügbar sein musste – das wäre schön. Andererseits bin ich ein Kind des Internets: Tumblr hat mich den Feminismus gelehrt, ich habe meine ersten Tracks über gerippte Beats auf SoundCloud gestellt, ich habe meine Lust auf Horror und Mangas und Musik mit Gleichgesinnten in diversen Foren geteilt – und jetzt ist es eben schön, ein Tool wie TikTok zu haben, mit dem ich meine Fans auf so spielerische Art erreiche.

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Ein Tool, das du gut zu nutzen weißt. In deinem Musikvideo zu „Daisy“ sieht man einige deiner Fans, die vorher bei der #DaisyChallenge auf TikTok-Clips gepostet haben …

Ja, wir wollten das auf eine Weise schaffen, die nicht cringy wirkt. Der Clip ist von der tollen Charlotte Rutherford – ein greller VFX-Traum, bei dem die sehr bunt und horrormäßig geschminkten Gesichter meiner Fans vorbeirauschen, die sie für die Challenge aufgenommen habe. Ich liebe es, wie irre kreativ meine Fans werden – und viele von ihnen zeigen das eben bei TikTok, wenn man sie dazu einlädt.

Zu Halloween hast du einzelne Parts aus deiner neuen Single „Halloweenie III: Seven Days“ bei TikTok inszeniert. In einem Clip nimmst du ein Bad in Menstruationsblut. Wie wichtig ist es dir, die ja gern als oberflächlich verschriene Plattform mit feministischen Messages zu füllen?

Sehr. TikTok ist zwar unterhaltsam, aber ich will mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, das weitergeben, was ich als Teenager von den Musikerinnen bekommen habe, die ich verehrt habe. Musik war für mich damals ein Boost für mein mangelndes Selbstbewusstsein. Bis ich 17 war, habe ich Janis Joplin, Rihanna, Kelis, M.I.A. oder Loretta Lynn gehört und daraus Kraft gezogen. Sie waren wie große, weise, wütende Schwestern für mich. Diesen Spirit möchte ich weitertragen und das geht bei TikTok gut – auch wenn mir der Gedanke manchmal Angst macht, dass junge Menschen mich jetzt als Vorbild sehen.

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Hast du das Gefühl, dass der Erfolg und die Möglichkeiten von TikTok Einfluss auf dein Songwriting und generell auf Songstrukturen haben?

Als ich „Stupid“ geschrieben habe – mein größter TikTok-Hit – habe ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, weil ich TikTok da noch gar nicht kannte. Inzwischen ist es natürlich Teil der Veröffentlichungsstrategie der Labels – und es macht Spaß, sich Clips oder Challenges auszudenken. Aber ich zerbreche mir immer noch nicht den Kopf darüber, wie ein Song klingen oder ein Video aussehen muss, damit es ausgerechnet bei TikTok gut funktioniert. Dieser Gedanke „Was muss ich tun, um viral zu gehen?“ ist sowieso blöd. Aber mir wird genau das ja hin und wieder vorgeworfen. Ich bekomme zum Beispiel oft gesagt, der Anfang von „Stupid“ sei ja perfekt für TikTok – als hätte ich genau das im Sinn gehabt. Das ist Schwachsinn. Der Anfang von „Stupid“ ist ein perfekter Anfang. So einfach ist das. Der erste Upload, der bei TikTok durch die Decke ging, wurde von einem Fan hochgeladen – und erst später von meinem Label ausgetauscht. Natürlich gibt es Produzenten oder Künstler, die gezielt für TikTok Musik schreiben. Aber ich bin definitiv keine TikTok-Künstlerin, ich werde niemals Musik machen, die für irgendeine Plattform maßgeschneidert ist. Ich bin Musikerin und ich werde alles nutzen, was mir Spaß macht und meine Musik den Menschen näherbringt.

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Dieser Artikel erschien erstmals im ME 01/21