Kind Of Blue von Ashley Kahn

Die vermutlich längste Plattenbesprechung der Welt, oder: Besondere Alben erfordern besondere Maßnahmen. Der US-Schriftstelter und Journalist Ashley Kahn hat durch über fünfzig Interviews und intensive Recherchen in den Archiven von Columbia Records versucht, das Geheimnis jener zwei Tage im März und April 1959 zu ergründen, als Miles Davis und sein Sextett um John Coltrane, Cannonball Adderley und Bill Evans in einer umgebauten Kirche in Manhattan eines der zeitlosesten und einflussreichsten Jazzalben aller Zeiten aufnahmen. „Vier Jahrzehnte nach seiner Entstehung noch immer der Inbegriff von hip, ist Kind of Blue das herausragende Album seiner Ära, nicht nur was den Jazz betrifft“, konstatiert Kahn zu Recht und verweist auf Quincy Jones, der es als das eine Album rühmt, das den Jazz erkläre. Kahn hat sein Buch clever gegliedert: Er schildert kurz den Werdegang von Davis und die Entwicklung des Sextetts bis zur Session, vollzieht dann im Herzstück des Buches Track für Track die Albumproduktion nach und widmet den letzten (etwas Langatmigen) Teil der nachhaltigen Wirkung der epochalen Platte, die sich in den letzten Jahren besser verkaufte denn je. Relativ banal sind die im Buch abgedruckten Dialogfetzen aus den Sessions, die Kahn von den Original-Masterbändern transkribierte. Dennoch: Die Lektüre lohnt sich nicht nur für Jazzfans und eingefleischte Davis-Anbeter. Dass man zu diesem Anlass unbedingt das Album selbst wieder in den Player oder auf den Plattenteller legen sollte, versteht sich von selbst.

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