Leonard Cohen :: First We Take Manhattan

Je stärker die Front der Kritiker versucht, ihn ins Aus zu schreiben, desto felsenfester steht Leonard Cohen als der archetypische Sänger/Songschreiber schlechthin da. Heute, mit 53 Jahren, entdeckt er in all den verschiedenen Spielarten des modernen Pop allererst seine Duftmarke. Die Sisters Of Mercy benannten sich nach einem seiner Songs, Nick Cave singt Lieder von ihm, Jennifer Warnes brachte erst kürzlich ein Album seiner Songs heraus; von Marc Almond über The The bis hin zu These Immortal Souls erschallen Ehrerbietungen aus nah und fern – überall, wo Menschen in ihrer Verzweiflung einen Strahl des Cohen-Humors durchschimmern sehen.

Dennoch, eine musikalische Gebärmaschine war er nie. Dies ist erst sein zehntes Album in 20 Jahren, aber selbst bei einer vorsichtigen Einordnung seines Werkes bleibt nur das Fazit: Der Mann ist sein eigener Standard geworden. Dylans Text-Feuerwerke sind längst abgebrannt, aber Cohens beißender Witz ist immer noch so treffend wie früher. Bei „Everybody Knows“ singt er: „Everybody knows that you ve beert faithful/ Give or take o mght or two“. Zeilen, in denen sich Cohens Weltsicht dokumentiert: Du darfst nicht zuviel vom Leben erwarten.

Ein paar Songs auf dem Album haben wir vorher schon gehört. „First We Take Manhattan“ und „Ain’t No Cure For Love“ erscheinen auf Jennifer Warnes‘ Kollektion FAMOUS BLUE RAINCOAT. Wenn ich mich nicht irre (die unbeschrifteten Vorab-Cassetten lassen einen diesbezüglich im Dunkeln tappen), scheint Jennifer Warnes auf dem Cohen-Album auch mitzusingen. Cohens eigener Gesang (falls man das Singen nennen will) macht automatisch jeden Song, sogar die witzigen Nummern, herzzerreißend spröde.

Das lustigste Ding auf dem Album ist „Jazz Police“, eine surreale Exkursion in die High-Tech-Welt, die aber haarscharf am Sound alter Musicals vorbeisegelt und bei der ein Free-Jazz Piano-Solo in der Mitte für Verwirrung sorgt. Cohens Texte sind auch hier wieder bizarr: „Jazz police are paid by J. Paul Getty/Jazz was paid by J. Paul Getty, too“. Wenig später murmelt er dann: „Leg‘ noch eine Schildkröte auf den Grill“… Tom Waits wäre wirklich stolz auf solche Texte.