Album der Woche

Little Simz

LOTUS

AWAL (VÖ: 6.6.)

Ohne ihren bisherigen Haus-und-Hof-Produzenten gelingt der UK-Rapperin ein grandioser Neubeginn voller Kooperationen.

Zehn Jahre ist es her, dass Little Simz ihr Debüt A CURIOUS TALE OF TRIALS + PERSONS veröffentlichte. Zehn Jahre und sechs Alben, Ausfüge in die Schauspielerei, daneben noch eine Reihe Mixtapes, EPs, Singles und Kooperationen mit Weggefährt:innen wie Sampha und Obongjayar, aber auch Coldplay. Was zeigen dürfte, welchen Status sie mittlerweile in der Popwelt inne hat.

Die Britin ist die Musikerin, die andere Musiker:innen hören. Die Künstlerin, an der man nicht vorbeikommt, spätestens seit dem Album SOMETIMES I MIGHT BE INTROVERT von 2021, aber eigentlich schon nicht mehr seit GREY AREA zwei Jahre zuvor. Es war fokussiert, auf den Punkt – und voller Selbstbewusstsein: „I’m Jay-Z on a bad day, Shakespeare on my worst days.“ Diese Alben waren auch das Ergebnis einer langjährigen kreativen Freundschaft zwischen Little Simz und Produzent Info (Sault, Adele), die gemeinsam einen unverwechselbaren, warmen Sound schufen.

Jedem Ende wohnt ja ein Anfang inne

Nun steht aber ein neues Kapitel an – auch, weil die Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstler:innen mit einem Knall endete. Sie wirft ihm vor, ihr Geld in Millionenhöhe zu schulden und hat ihn mittlerweile angezeigt. Unschön. Aber jedem Ende wohnt ja ein Anfang inne, und auch aus dem schlammigsten, brackigsten Wasser kann etwas Schönes entstehen. Zum Beispiel ein Album wie LOTUS.

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Darauf probiert sich Simz in allen möglichen Soundwelten aus, klingt mal wie The Streets („Young“), mal nach Disneystreichern und großen Emotionen („Hollow“). Dann zieht sie uns auf eine Tanzfläche („Only“ mit Lydia Kitto oder „Enough“ mit Yukimi), experimentiert mit Call-and-Response für berührendes Storytelling über ihre Familie („Blood“ mit Wretch 32 & Cashh) und ist dann wieder nachdenklich, raw und offen wie nie („Blue“ mit Sampha). Und verarbeitet vielleicht auch die Sache mit ihrem ehemaligen Haus-und-Hof-Produzenten, und zwar direkt zum Einstieg mit „Thief“. „Selling lies, selling dreams“, wirft sie dem Subjekt des Songs vor, und liefert direkt einen Soundtrack für alle Menschen, die sich von Liebhaber:innen, Freund:innen und Geschäftspartner:innen betrogen fühlen.

In letzter Konsequenz ist LOTUS kein Rachealbum

Aber in letzter Konsequenz ist LOTUS kein Rachealbum. Am Lotus perlt ja auch Wasser und Dreck ab, um im Bild zu bleiben, und die Blüte bleibt bei allem Schmutz um sich herum strahlend schön. So ähnlich ist es auch auf diesem Album, das nicht bei der Abrechnung stehen bleibt, sondern auf dem Little Simz hörbar versucht herauszufinden, wer sie als Künstlerin ist, jenseits dieser langen Zusammenarbeit. Und dafür feiert sie ihre Community an Musiker:innen, auf die sie sich verlassen kann oder die sie bewundert: Kooperationen spielen eine große Rolle, fast kein Song kommt ohne aus.

Alte Freunde wie eben Sampha und Obonjayar sind ebenso dabei wie neue Namen wie die Südafrikanerin Moonchild Sanelly im treibenden, Simz-typischen „Flood“ oder UK-Jazz Innovator Yussef Dayes auf dem umwerfenden Titelsong. Das könnte zerfasert klingen, richtungslos. Aber natürlich nicht bei Little Simz: Trotz aller Soundexperimente hält sie zusammen, was zusammengehört, und erzählt stringent eine Geschichte vom nie enden wollenden Prozess des Erwachsenwerdens, von einer Ich-werdung. Und es ist wieder ein Gewinn, ihr dabei zuzuhören.

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