Marvin Gaye :: The Real Thing

„Recorded In Concert – The Final Tour 1983 lautet der Untertitel dieses Albums, und final war Marvin Gayes ’83er-Konzertreise in der Tat. Am 1. April wurde er von seinem fanatisch-religiösen Vater erschossen, die Sache mit dem „Du sollst nicht töten“ hatte Gaye Senior offenbar gerade vergessen. Die Soulwelt war jedenfalls um einen außergewöhnlichen Musiker und Sänger ärmer, der 1971 mit dem Album WHAT’S GOING ON einen hoch gelobten Meilenstein abgeliefert hatte. Auch sein letztes Studioalbum namens MIDNIGHT LOVE mauserte sich zu einem ansehnlichen Erfolg, die Singleauskopplung „Sexual Healing“ lief um 1983 im Radio rauf und runter.“Schlafzimmersoul“ nannte man das, und tatsächlich war Marvin Gaye ein sanfter König im Land der Schmuseklänge zumindest, was die Studioarbeit anging.

Live ging schon eher die Post ab, wovon auch THE REAL THING aus dem „Indianapolis Speedway“ kündet. Das Intro klingt wie Osibisa oder Santana anno ’71, später gibt’s eine Disco kompatible Version von „I Heard It Through The Grapevine“ und funky Seventies-Soul wie „What’s Going On“, den „Inner City Blues“ oder das wunderbar treibende Joy“. Das Grande Finale bestreitet natürlich „Sexual Healing“, Gayes damaliger Hit. Sicher, die Sexfunkgospel-Maschine James Brown predigte stets heißer und manischer als Marvin Gaye, wer also – huh, get up tan2en, schwitzen und erlöst werden wollte, für den war Gaye selten THE REALTHING. Wer’s eine Spur weniger hysterisch wünscht, wird von Gaye allerdings gut bedient. Zwei Gründe sorgen im Fall von THE REAL THING allerdings für Punktabzug: Händeklatschen aus dem Drumcomputer zählte auch 1983 nur zur mittelhohen Kunst der Publikumsanimation, ist aber unter der Rubrik „Zeitgeist“ zu verbuchen und letztlich zu verschmerzen. Die mäßige Klangqualität der Livescheibe entspricht jedoch nicht mal dem Standard von 1083.