Meine Jazz-Odyssee von Oscar Peterson & Richard Palmer

Was erwartet man von einer Autobiographie? Einen geschliffenen Text? Sicher nicht in erster Linie. Auch in Oscar Petersons Selbstporträt liegt der Schwachpunkt auf der literarischen Seite; dabei ist einiges sicher der Verdeutschung anzulasten. Bei näherem Hinsehen ist das jedoch nicht so wichtig, genausowenig wie die mangelnde chronologische Vollständigkeit. Peterson fokussiert auf bestimmte Ereignisse/Personen und schreibt eine sehr subjektive Geschichte des Jazz seit den 40er Jahren in Kanada, den USA und Europa: Einzelheiten aus dem Studio- und Konzertalltag erlauben einen authentischen Blick auf das, was dem Leser sonst nur in Plattenaufnahmen vorliegt oder gegebenenfalls blass aus einem Konzert in Erinnerung ist. Detailgetreue Berichte über das Zusammenspiel mit Musikern wie Coleman Hawkins, Lester Young, Roy Eldridge. Dizzy Gillespie. Ella Fitzgerald u.a. bis hinein in die Beschreibung des Ablaufs einzelner Stücke bei bestimmten Auftritten machen die vielleicht bedeutendste Zeit des Jazz lebendig erfahrbar. Es jagt einem ja schon eine Gänsehaut über den Rücken, sich all diese Giganten zusammen in dem Tourbus vorzustellen, der in den 50er Jahren regelmäßig für die Veranstaltungsreihe „Jazz at the Philharmonie“ quer durch Nordamerika unterwegs war. Musikalisch und charakterlich anschauliche Portraits der Bandkollegen in den oft wechselnden Trios, vertrauliche Begegnungen mit großen Bandleadern und Impresarios vermitteln ein Bild des Jazz von seiner Innenseite. Und da ist noch ein wichtiger Aspekt des Buches: die Positionierung des „schwarzen“ Musikers in einem „weiß dominierten Umfeld. Peterson beschreibt in seinen Erinnerungen an die Zeit vor, während und nach dem Erstarken eines „schwarzen“ Selbstbewusstseins in den USA alle Facetten von offener Ablehnung über widerwillige Akzeptanz bis zu unvoreingenommener Freundschaft und gibt damit auch Zeugnis über ein oft vernachlässigtes Detail des weiten Feldes Jazz.