Mica P. Hinson – Micah P. Hinson And The Opera Circuit
„Beneath The Rose“, das zweite Stück auf Micah Paul Hinsons Debüt von 2004, möchte heute noch ein Johnny-Cash-Song sein. So viel Lebensweisheit geht normalerweise kaum in drei Minuten. So viel Leben auch nicht auf eine Platte. Hinson. damals gerade mal Anfang 20, trug einen Backpack voller Geschichten mit sich, den die Gossip-Industrie der Südstaaten nur hat ausschmücken müssen: ein Post-Teen ohne Boden unter den Füßen, obdachlos, gebrochen, mit einem Fuß im Knast, mit dem anderen am Rockzipfel einer alles verschlingenden schwarzen Muse, Witwe eines Rock-Stars und jaja, Ex-Vogue-Model. Fehlte nur der „Outlaw“-Sticker auf dem Album the gospel of progress, das Hinson mit seinen texanischen Freunden von den Earlies und geliehenen Instrumenten dann doch noch auf den Weg brachte. Ein Heartbreaker und Storyteller mit Raum für Vaudeville, Flöten und Trompeten. Hallo, das könnte einer für große Platten werden. Und siehe da. the opera circuit ist genau so eine geworden – die Alt-Folk-Platte mit dem gewissen Wärmefaktor. Diese Lieder strahlen Nähe und Verbundenheit aus, gleich, ob Hinson sich hymnisch, fast sportlich betätigt (mit einer ganzen Blaskapelle im Rückenl. in der Kammermusik angekommen ist („It’s Been So Long‘) oder zum Finale sein „Don’t Leave Ne Now“ zum Piano singt. Der Sänger fährt durch die Stationen seines Boheme-Lebens und interpretiert Songs, die man bei einem Klassentreffen von Kris Kristofferson, Tony Joe White und Willie Nelson vermuten würde. Micah P. Hinson ist die Wolldecke auf dem Sofa, die dich kurz anlacht, bevor sie dich einhüllt. Für immer und diesen Tag. Sie kratzt ein wenig, aber sie tut auch so gut.
VÖ: 17.11.
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