Mick Jagger
Primitive Cool
Kaum sind die Rolling Stones für Jagger ausgestanden, macht er sich mit seiner zweiten Solo-LP an die Nachlaßverwaltung: kraftvoller Rock ohne Rhythmusexperimente, simpel aber wirkungsvoll. Nur „Let’s Work“, als erste Single ausgekoppelt, geht mit schön schrägliegendem Arbeiterchor ein kleines Sound-Wagnis ein.
Jaggers Kautabak-Stimme nölt sich wieder an die Führungsposition. Jagger ist der Boß, kein Zweifel. Jeff Beck, auf She’s The Boss noch an der Gitarre bestimmend, fiel wohl dem neuen Produzenten Dave Stewart zum Opfer und darf nicht mehr auffallen. (Letzten Meldungen zufolge wird er auch auf der geplanten Tournee von einem noch ungenannten Gitarristen ersetzt werden.) Kom der Druck unter dem Macher-Team Nile Rogers/Bill Laswell fast spielerisch von einer kompakten Band, sind jetzt wieder ganz klassisch Wummer-Baß und Geradeaus-Schlagzeug am Drücker. Ohne Konkurrenz darf Jagger purer wirken.
Doch so sehr er sich auch stimmlich ins Zeug legt, das Gefühl in den Balladen zerfetzt Simon Phillips auf seiner monoton-trockenen Snare-Drum; die Intensität von „Hard Woman“ etwa bleibt unerreicht.
Im sonst durchweg erdigen musikalischen Bodensatz darf aber auch zart manch nette Klangidee sprießen — auch wenn sie im schweren Rock-Klima einen schweren Stand haben. Durch die Spielereien mit Mundharmonika, Wakawaka-Funkgitarre, Saxophon-Schmelz und seltsam synthetischen Intros werden auch unwillige Ohren angespitzt und zum Ur-Rock verführt. Ansonsten ist für die lässige Midtempo-LP Primitive Cool der Name ganz Programm.