Montreux Festival, Montreux, Casino

Uiih, da war er stolz, der quirlige Claude Nobs, seines Zeichens Erfinder und seit 20 Jahren Leiter des Jazzfestivals in Montreux. Um sechs Uhr früh am 18. Morgen des 17tägigen Spektakels am Genfer See durfte er Herbie Hancock und George Duke ansagen, „zum erstenmal gemeinsam auf der Bühne“. Die beiden grinsten wie die Honigkuchenpferde, tauschten Artigkeiten und Schulterklopfen, hatten sich dann aber auf den monumentalen Bösendorfer-Flügeln nur noch herzlich wenig zu sagen. Nette Belanglosigkeiten, die auch durch Meister Nobs‘ Griff zur Mundharmonika nicht sonderlich aufgewertet wurden.

Der dicke Duke war schon vorher unangenehm aufgefallen, als er den Auftritt des größenwahnsinnigen Wuchtbrumme Tania Maria mit einer ebenso unpassenden wie überflüssigen Synthesizer-Einlage würzte. Den durchschlagenden Publikums-Erfolg der Brasilianerin aus New York konnte er damit freilich nicht schmälern —- der Saal tobte und wollte den nächsten Programmpunkt, die Marco Käppeli Connection, erst gar nicht auf die Bühne lassen (dabei waren die Lokalmatadoren mit ihrer eidgenössisch-harmlosen Modern Jazz/Noise Music-Mix auch ohnedies schon bemitleidenswert deplaziert).

Wesentlich mehr Sinn hätte es da gemacht, die nach neun Stunden Musik langsam schläfrig werdende Menge mit Trouble Funk aufzuwecken, statt die lOköpfige Gogo-Truppe ihr gepfeffertes Tanz-Pulver schon zur Einstimmung, um acht Uhr abends, verschießen zu lassen. Der guten Laune, die das Power-Pack aus Washington verbreitet hatte, konnte selbst Saxophonist Sadao Watanabe mit seinem japanisch-moderaten Jazzrock keinen Dämpfer mehr versetzen.

Beste Voraussetzungen für den ersten Auftritt von Herbie Hancock, der mit Bassist Ron Carter, Branford Marsalis am Sax und Drummer Al Foster mehr als nachdrücklich bewies, daß er auch akustisch nichts vom alten Spielwitz verloren hat. Meister Hancock spielte spannend ohne aufzuregen — in einer Zeit, die „Jacobs Wundermild“ hervorbringen konnte, geht so was ohne weiteres. Und beides schmeckt prima. Standing ovations.

Die vergab das nach links französisch, nach rechts deutsch sprechende Publikum gern und reichlich; auch routinierter Jazzrock a la Spyro Gyra brachte die dichtgedrängte Menge johlend auf die Beine. Jay Beckenstein und seine sechs Hispano/New Yorker Mannen hatten sich aber auch vorbildlich ins Zeug gelegt.

Das läßt sich Anton Fiers Golden Palominos zwar ebenfalls auestieren, nur mußten die (sechs Stunden später, gegen acht) schon gegen Bett-Schwund und Frühstücks-Vorfreude anspielen. Aber wie! Die Palominos ritten nicht nur mit Michael Stipe, Peter Blegvad und Altvater Jack Bruce ein, sie fuhren auch noch Bernie Worrell samt Orgel auf. Trotzdem: Wer schlief, schlief, die Wachen wippten leise im Sattel.

Zum Frühstück gab’s Salsa (Arturo Sandoval), zur gottgefälligen Verdauung Gospel (Liz McComb), draußen schien die Sonne und aus dem „12 Hour Marathon“ waren 15 Stunden geworden. Alle satt zufrieden, eine runde Sache. Und kein großes Risiko.