Naturalist – Naturalist

Wer eine Verpackung zu lesen versteht, ist auf der richtigen Spur. Naturalist, wie alle Platten auf Uwe Schmidts Rather Interesting-Label, bietet keinerlei Information, dafür aber ein mit Holzmaserung bedrucktes Booklet. Was hinter dem Plastik der üblichen Jewelbox ähnlich grotesk wirkt, wie eine Fototapete von den Niagara-Fällen oder ein pixeliger Pornofilm im Internet. Hier geht es nicht um Esoterik und Goa, nicht um eine möglichst „naturgetreue“ Nachempfindung (billiger) Gefühle, hier geht es um das künstlerische Aufspüren von Perversion und Bruchstelle. Uwe Schmidt, ein Mann der vielen Namen, dessen bekanntester Atom Heart sein dürfte, ist ein waschechter Avantgardist. Alles was er macht, ist neu, ungewohnt, irritierend und herausfordernd. Schmidt ist ein Meister der Punkte und Striche, Kälte und Wärme, an Linearität, Kommerz oder Karriere nicht interessiert. Seine Umsetzung von Natur im digitalen Gewand spielt mit offenen Karten, wiehernde Pferde und rauschende Flüsse werden von technoiden Störgeräuschen durchbrochen und in ihre Moleküle zerlegt. Keine Loops, keine Flächen. Small Parts isolated aber nicht zerstört, sondern gezwirbelt, gestaucht und neu gruppiert. Jazz ist für diese fremde und seltsame Welt insofern das richtige Wort, als daß aus den Stücken sehr wohl spielerische Improvisation spricht,dabei aber, wie zum Beispiel bei Ornette Coleman alles einer inneren Logik und Notwendigkeit gehorcht. Ein kleines Augenzwinkern hat sich Schmidt dann aber doch erlaubt, und einen winzigen Aufdruck auf die Rückseite gefügt. „Best if listened before Jan 2004“ steht dort. Ein berechtigter Scherz. Denn das dürfte in etwa der Zeitpunkt sein, zu dem ihn der Rest der elektronischen Welt verstanden haben wird.