Neil Young

A Letter Home

Parlophone/Warner

Nachrichten aus einer Telefonzelle, Baujahr 1947: Der Folk-Veteran reflektiert über Leben und Tod in elf Coverversionen.

„Hi Mom, it’s great to talk to you … I’m glad to be able to send you this message and tell you how much I love you.“ Wir hören die Stimme von Neil Young, die Botschaft ist an seine verstorbene Mutter gerichtet. Und sie klingt, als hätte man sie auf einer Wachswalzenaufnahme aus dem Jahr 1915 wiederentdeckt. Das ist eine schöne Volte, nachdem Neil Young zuletzt den von ihm konzipierten Player und Musikdienst Pono vorstellte, ein hochaufgelöster Angriff auf den komprimierten MP3-Standard. Klangverbesserung fürs Volk, Kickstart-Finanzierung!

Die Technik macht aber auch A LETTER HOME möglich, ein „Brief“ ins Jenseits, entstanden in einem 1947er-Voice-o-Graph, einer Art Telefonzelle für Tonaufnahmen, die Jack White für dieses Album zur Verfügung stellte. Die Gleichzeitigkeit von Leben und Tod, von Vergangenheit und Gegenwart – das sind auch die zentralen Themen in diesem Alterswerk, das an die Tage erinnert, als „Recording“ noch Kinderkram war. Wenn Neil Young zu pfeifen beginnt und, auf der akustischen Gitarre spielend, Bert Janschs „Needle Of Death“ singt, verbindet sich die Stimme mit dem Rauschen und Kratzen, sie gräbt sich vorsichtig durch die Melodie, sie erzählt vom magischen Moment der Aufnahme.

Und legt so ganz nebenbei die Spur zu Youngs Jahrhundertalbum HARVEST (1972) und „The Needle And The Damage Done“, zu jenem Song, der den Abstieg in die Heroinabhängigkeit zum berauschenden Lamento machte. So nah kommt Young seinen eigenen Aufnahmen nie wieder in den elf Coverversionen. Altwerden ist auch der Gedanke an das letzte Glas Wein und den letzten Kuss.

Nach der gut im Saft stehenden Rockplatte PSYCHEDELIC PILL (2012) ist A LETTER HOME dem Moment der Reflexion gewidmet, mit den Songs, die lange schon bei Neil Young sind, von Gordon Lightfoots „If You Could Read My Mind“ (wunderbar heruntergefah-ren) über Dylans „Girl From The North  Country“ bis zu Willie Nelsons „On The Road Again“ in einer stark gebremsten Version mit Honky-Tonk-Piano und Mundharmonika (seltsam energiearm). Dass der Aufnahmemodus spektakulärer als die Auswahl der Songs ist, muss keinen stören. Damit aber steht A LETTER HOME dem vermeintlich entgegengesetzten Klangverbesserungsprojekt Pono wieder sehr nahe.