Neil Young – Rust Never Sleeps
Neil Young geht’s immer besser. Schon „Comes A Time“ und diverse Songs von „Stars’n’Bars“ hatten gezeigt, daß der neben Bob Dylan legendärste lebende US-Rocker einen Schlußstrich unter etliche Jahre voll Düsternis und Depressionen gezogen hatte. „Rust Never Sleeps“ nun bringt ihn noch einen Schritt weiter. Die üppig instrumentierten Arrangements, die ihn auf „Comes A Time“ noch beschützten, hat er fallengelassen zugunsten eines spartanischen, geradezu anachronistisch anmutenden Sounds. Auf der ersten Seite spielt er ganz allein eine laute, ungeschönte akustische Gitarre und wird nur bei einem Stück von Carl Himmel (Drums), Joe Osborne (Baß) und Nicolette Larson (Background vocals) begleitet. Die zweite Plattenseite, die noch einen ganz gehörigen Schuß roher und rockiger ausfiel, bestreitet er mit seiner langjährigen dreiköpfigen Begleitband Crazy Horse: Ralph Molina (Drums), Billy Talbot (Baß) und Frank Sampedro (Gitarre). Rock pur wird hier geboten, der an die frühen Alben von Young & Crazy Horse erinnert und der schlicht faszinierend ist. Vor allem auf der ersten Seite, wo Neil Young wie nackt wirkt und ungeheuer intensiv Gitarre spielt und singt.
Auch die eigentümliche Schönheit von Youngs präziser Bildersprache in den Texten fesselt mehr denn je: „I was watchin‘ my mama’s T.V., it was that great Grand Canyon rescue episode/ Where the vulture glides descending on an asphalt highway bending/ Thru libraries and museums, galaxies and Stars…“ Insgesamt acht neue Songs hat Neil Young komponiert; darunter auch einen, dessen Text ganzeinfache, ja simple Worte bilden und dessen Musik ebenso einfach aufgebaut ist; unter dem Strich ergibt das eine klassische Rock-Hymne: „My my, hey hey/ Rock’n’roll is here to stay/ It’s better to burn out/ Than to fade away/ My my, hey hey“. Aus diesen Zeilen spricht Neil Youngs eigene Lebenserfahrung. Er selbst widmet dieses Lied jedoch zwei ganz unterschiedlichen Kollegen: „The king is gone but he’s not forgotten/This is the story of a Johnny Rotten“.
Rätsel gibt die Produktion der LP auf. Mehrere Songs sind in dezenten Beifall und Publikumsrufe eingebettet. Neil Young hat aber im Studio an „Rust Never Sleeps“ gearbeitet. Entweder kommt also Beifall vom Band, oder aber die Titel wurden live aufgenommen und hinterher überarbeitet. Ein echtes Neil Young-Live-Album erscheint erst demnächst: als Soundtrack eines Films über die jüngste US-Tournee unseres wiedergeborenen Helden.