Nicky Wire – I Killed The Zeitgeist
Von Nicks Soloauftritt beim Latitude-Festival werden schlimme Dinge berichtet: Mit einer derangierten Band habe er 35 Minuten lang derangierten Krach produziert, eine Flasche Lambrusco gegurgelt, die üblichen Verdächtigen beschimpft, sich auf jede denkbare Weise blamiert und mit der Bemerkung verabschiedet, die armen Zeugen könnten „immerhin sagen, sie seien beim Tod eines Manie Street Preacher dabeigewesen . Wer viel austeilt, so lautet die Regel, sollte auch was einstecken können, und austeilen kann oder konnte kein Rocktätiger so gut wie Nick (abgesehen von John Lydon vielleicht!, also wird er schon gewusst haben, was er tut, als er beschloss, seine Freizeitaufnahmen aus einem kleinen Studio in der Nachbarschaft so richtig auf Platte pressen zu lassen Iwas, wäre er nicht, wer er ist, kein Label dieser Welt getan hätte) – dass sich mancher darauf freut, dem Säureschlauch mit dem entwaffnenden Grinsen endlich malein paar mitgeben zu können, weiß er schließlich selber. Kurz und unböse zusammengefasst: „Richtige“ Songs schreiben kann Nick nur sehr bedingt, einen Ausweg aus dem Manics – „Wo geht’s lang?“-Dilemma findet er höchstens durch die Hintertür (in Richtung the holy bible bis know YOUR ENEMY), und singen kann er wirklich ganz und gar überhaupt nicht. Erstaunlicherweise ist das Ergebnis trotzdem sympathisch, weil seine Stimme, wie sie da zwischen den Tonleitern herumpurzelt, nicht mehr sein will, als sie ist lim besten Fall erinnert sie an das erste The-Jesus-&-Mary-Chain-Album, im schlimmsten an Karaoke). und weil dasselbe auch für Band und Songs gilt: roh und dilettantisch, augenzwinkernd derivativ, naiv und primitiv, mit geglückten und weniger gelungenen Ideen und Passagen. Wer lieber gekritzelte Tagebücher liest als kritische Gesamtausgaben, ist hier gut aufgehoben. Da wir jedoch eine Musikzeitschrift sind, müssen wir, auch wenn es sich um ein Debüt handelt, für die vokale Darbietung mindestens einen Punkt abziehen. VÖ: 15.9.
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